Ignaz Velisch

S-Z

Geboren am 25. Januar 1861 in Fünfkirchen (Pécs), Ungarn

Gestorben am 15. Februar 1937 in München

 

Herkunft

Hinsichtlich der Herkunft von Ignaz Velisch bestehen einige Fragezeichen. In den Münchner Meldeunterlagen war ursprünglich Kapsovár als Geburtsort eintragen. Dieser Eintrag wurde aber durchgestrichen und durch Fünfkirchen ersetzt. Die beiden Städte liegen rund 60 km voneinander entfernt. Fünfkirchen war damals eine Stadt der k.u. k. Monarchie und ist heute unter dem Namen Pécs eine der größten Städte Ungarns.

Ähnlich kompliziert verhält es sich mit seinem Nachnamen, ist er doch als Ignaz Wellisch am 25. Januar 1861 geboren. Später wurde der Name in Velisch geändert. Seine Eltern waren der Kaufmann Salamon (auch Salomon) und Fanny Wellisch, geb. Stern (geb. 7. Mai 1828 in Kaposvár, gest. 4. Juni 1909 in München). Vom Vater wissen wir nur, dass er Kaufmann war. Das Paar hatten noch drei weitere Söhne:

  • Anton, geboren am 05. Januar 1855

  • Emil, geboren am 23. März 1863 und

  • Bela, geboren am 28. Januar 1866.

Alle drei Brüder wurden in Kaposvár geboren. Das Buchdruckerhandwerk erlernte Ignaz Velisch noch in seiner Heimat. Er war 16 Jahre alt, als er seine österreich-ungarische Heimat verließ.


München

1877 kam er nach Deutschland. Zunächst lebte er wohl in Nürnberg, zog aber bereits im Januar 1878 nach München. Er arbeitete damals als Maschinenmeister beim königlichen Hofbuchdrucker E. Mühltaler (vormals Druckerei Carl Robert Schurich).

Die ersten unternehmerischen Aktivitäten waren ab 1886 festzustellen. Zusammen mit seinem Partner Josef Eckhardt betrieb er einen „Papier-und Inseraten-Agentur Verlag “.  1892 hatte die Firma ihren Sitz in der Löwengrube 20 und war Besitzer des Anwesens , wie das Sternchen im Adressbuch verrät.

Anfang 1891 erwarb Ignaz Velisch die Bayerische Staatsangehörigkeit sowie das Heimatrecht von München.

Wann und wie Ignaz Velisch seine spätere Frau, die Schauspielerin Mathilde Wallner, kennen lernte, wissen wir nicht. In den Münchner Neuesten Nachrichten vom 30. August 1890 gab das Paar seine Verlobung bekannt. Im Jahr darauf, am 14. Mai 1891, folgte die Hochzeit. Seine Frau, Mathilde Wallner war am 3. Februar 1870 in München zur Welt gekommen und war Katholikin, weshalb die Ehe später als sogenannte „Mischehe“ galt. Die Ehe der beiden blieb kinderlos.

Münchner Neueste Nachrichten 31.8.1890

Münchner Neueste Nachrichten 24.5.1891

1892 wagte Ignaz Velisch auch den Schritt in die Selbständigkeit.


Druckerei und Kunstanstalt

Das Arbeitsleben bzw. das Unternehmertum von Ignaz Velisch war äußerst vielfältig. In den Unterlagen finden sich eine Vielzahl von Firmengründungen, Beteiligungen, aber auch Konkursverfahren zu Druckereien und Plakatanstalten.   

Bedeutend war wohl seine jahrzehntelange Beteiligung an den „Vereinigte(n) Münchener Plakat Instituten Hartl & Pierling“. Zusammen mit Kommerzienrat Franz Hermann Hartl und F.S. Pierling war er Mitinhaber dieser Firma. Die Firma warb damit, über 1.200 Plakatsäulen und Tafeln in allen Stadtbezirken zu betreiben.  

Stadtarchiv München, DE-1992-BAUA-HB-1027-02

Stadtarchiv München, DE-1992-BAUA-HB-1027-02

Logo der Vereinigten Münchener Plakatinstitute Hartl & Pierling (aus Privatbesitz)

Ignaz Velisch trat im Tagesgeschäft der Firma nicht in Erscheinung. Die Beteiligung könnte eher eine strategische, finanzielle Teilhaberschaft gewesen  sein, da die Firma über einen längeren Zeitraum Monopolstellung für die Plakatierung auf öffentlichem Grund hatte.

Im April 1900 erfolgte die Gründung der „Vereinigte(n) Druckereien & Kunstanstalt“, vormals Schoen & Maison bzw. Ignaz Velisch. Einige Jahre später trugen die Druckerzeugnisse den Firmennamen Münchener Graphische Kunstanstalt JG Velisch. Die Erzeugnisse der Druckerei waren vielfältig. Zum Programm des Verlages gehörten z.B. Reiseführer von München. Diese erschienen schon damals in einem praktischen Westentaschenformat, waren dreisprachig (DE /FR / EN) und mit einer Einlegekarte von München versehen. Auch Zeitschriften wie etwa die unter dem Titel „Graphische Künste“ gab Ignaz Velisch heraus bzw. ließ sie in seinem Haus drucken. Erhalten geblieben sind auch künstlerische Postkarten. Zum Produktionsspektrum gehörten außerdem Plakate.  

Um die Wende zum 20. Jahrhunderts galt München als eines der bedeutenden Zentren in der Plakatgestaltung. Mit seiner graphischen Kunstanstalt verstand es Ignaz Velisch, bedeutende Künstler dieser Zeit, wie Carl Kunst, Adolf Hengeler oder Ludwig Hohlwein, für die Herstellung von Werbeplakaten zu gewinnen. So berichteten die „Münchner Neuesten Nachrichten“ vom 24. November 1910 unter der Überschrift „Kleine Kunstnachrichten“ in einem recht ausführlichen Artikel von den neuesten Werbeplakaten. Schon die Überschrift zeigt, dass man die Werbemittel eher der Kunst als schnöden Druckerzeugnissen zurechnete. Wie sonst nur bei Kunstwerken beschreibt der Autor fast schwärmerisch die Darstellung, Farbgebung, Anordnung der Schrift zum Bild oder die Originalität des Motivs.  Die Plakate der Künstler befinden sich heute in Kunstsammlungen wie den Staatlichen Museen zu Berlin, der Albertina in Wien oder dem Münchner Stadtmuseum.

Künstler: Paul Neuenborn um 1905 (Quelle: Stadtarchiv München Plakatsammlung DE-1992-PL-16246)

Reiseführer München, Vermutlich 1910

Festfuhrwerk der Bierbrauerei z. Thomasbräu, München, Künstler unbekannt, gedruckt bei der Münchner Graphischen Kunstanstalt von Ignaz Velisch

Ignaz Velisch engagierte sich auch für das Gemeinwohl. 1902 wurde er als Schöffe bei Gericht bestellt.

Seine Mutter, Fanny Velisch, die ebenfalls in München lebte, verstarb 1909. Sie gehörte zu den ersten, die auf dem damals neu eröffneten Neuen Israelitischen Friedhof bestattet wurden.  In den Münchener Adressbüchern taucht die Mutter Fanny erstmals 1887 als „Kaufmannswitwe“ auf. Die Familie wohnte im Gärtnerplatzviertel, was damals ein Zentrum jüdischen Lebens in München war. Dort lebten sehr viele aus dem Osten zugewanderte jüdische Bürger. Wann und wo Ignaz Velischs  Vater Samuel Wellisch verstorben ist, konnten wir nicht in Erfahrung bringen.

Auf seinem Familienbogen sind unzählige Wohnungswechsel vermerkt. Auffällig ist dort der Eintrag „28.3.13 in Hamburg“. In Hamburg sind entsprechende Unterlagen kriegsbedingt nicht mehr vorhanden. Im Deutschen Reichsanzeiger vom 4. September 1913 wird im Handelsregister zum 23. August 1913 eine neue Firma eingetragen, die „Hamburger Plakat-Anschlags GmbH“. Geschäftsführer ist ein Ignaz Velisch, Kaufmann aus Hamburg. Mit den „Vereinigten Münchener Plakat Instituten Hartl & Pierling“ in München war wohl aufgrund der Monopolstellung ordentlich Geld verdient worden. Velischs Kompagnon, der Kommerzienrat Franz Hermann Hartl, wurde 1914 als „Gold-Millionär“ geführt. Die Vermutung liegt nahe, dass der Erfolg in einer anderen Stadt wiederholt werden sollte.

In Hamburg hielt es Ignaz Velisch  nicht lange. Er meldete sich im Dezember 1915 nach Budapest (Ungarn) ab, kehrte aber im Mai 1916 nach München zurück.

Ende Mai 1916 übersiedelte das Paar in die Elisabethstraße 12/A in Schwabing, wo es  dann auch für lange Jahre wohnte.


Bad Wiessee

Im März 1931 meldeten sich die Velischs  aus der Elisabethstraße 12/A nach Bad Wiessee am Tegernsee ab. Ignaz Velisch hatte kurz zuvor seinen 70. Geburtstag gefeiert. In der Lokalpresse hatte man das  sein Schaffen als das eines bekannten Fachmanns des graphischen Gewerbes gewürdigt. Die Gründe für den Umzug sind unklar, zumal die Idylle am See nationalsozialistische Prominenz anzog. So hatte etwa Heinrich Himmler eine Villa am See, und Ernst Röhm logierte zeitweise in Bad Wiessee und wurde dort verhaftet.

Allerdings geht aus den Wiedergutmachungsakten hervor, dass Mathilde Velisch seit 1930 ein Haus in Bad Wiessee besaß, in dem das Paar im Ruhestand lebte. Ende 1936 verkaufte sie das Haus jedoch wieder. Die Gründe für den Verkauf sind unklar.

Man kann aber vermuten, dass der jüdische Unternehmer im Ruhestand dort zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gern gesehen war.

Ab dem 8.Januar 1937 was das Paar wieder in der Elisabethstraße gemeldet. Sie hatten die Straße wohl in guter Erinnerung, da die neue Wohnung nur wenige Meter von ihrer vormaligen Wohnung entfernt war. Im Haus mit der Nummer 30, im 1. Stock, hatten sie eine neue Wohnung gefunden. In diesem Haus lebten weitere jüdische Bürger, Lilly und Max RothschildAlice und Isidor Neuburger, bei denen Siegfried Gerstle zur Untermiete wohnte, zogen erst kurz nach dem Tod von Ignaz Velisch  ein.

Kurz nach dem Umzug in die Elisabethstraße 30 verstarb Ignaz Velisch, 76-jährig, am 15. Februar 1937.


Schicksal weiterer Familienangehöriger

Seine Ehefrau, Mathilde Velisch, trat ab 1892 als Schauspielerin in Erscheinung. So spielte sie beim „akademisch-dramatischen Verein“ in Gerhart Hauptmanns „Einsame Menschen“. Der Kritiker vermerkte: „Als Dilettanten boten alle Mitwirkende sehr schöne Leistungen“. 1895/96 stand sie häufiger beim „Theater am Gärtnerplatz“ auf der Bühne. Bei den Stücken handelte es sich um Stücke mit einem ausgeprägten Lokalkolorit. So spielte sie die „Afra“ in „Der Geigenmacher von Mittenwald“, die „Käthe“ in „Frau Müller“ oder das „Liserl“ im Stück „`s Lieserl vom Schliersee“. Die Kritiken im Feuilleton sind nicht überragend:

Münchener Ratsch-Kathl 21. & 28.8.1895

Anfang des 20. Jahrhunderts fuhr die „Buchdruckereibesitzersgemahlin“ oder wahlweise „Direktorengattin“ regelmäßig zur Kur nach Franzensbad . Sie ist dort in den „Curlisten“ zu finden.  Sie überlebte ihren Mann um einige Jahre und starb am 13. Mai 1947 in München.

Ignaz‘  Bruder Anton Velisch verstarb am 19. November 1908 in New York. Er hatte am 4. Dezember 1880 in Kaposvár Theresa Mautner geheiratet (geb. 25 Juni 1958 in Kaposvár und verstorben am 2. Mai 1929 in München). Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Elisabeth und Ladislaus.  

Ein weiterer Bruder, Emil Velisch, heiratete im Mai 1892 Gisela Urbach. Er betrieb u.a. das „Münchner Annoncen Bureau“ und war Herausgeber der Bayerischen Bürger-Zeitung. Emil Velisch verstarb am 17. April 1920 in Eglfing/Haar. Das Paar hatte fünf Kinder.  

Der dritte Bruder Bela Velisch war Zeitungsverleger, Vertreter und Journalist. Er heiratete Walburga Hierl, lebte aber ab 1915 von seiner Frau getrennt. Das Paar hatte zwei Söhne, Desider Eugen Bela, geboren am 13. März 1902 in München, sowie Erich Fritz, geboren am 15. Juni 1904 in München. Bela Velisch verstarb am 17. Februar 1941 in München. 


Text und Recherche

Stefan Dickas

Quellen

Bücher:

  • Rudolf Martin: Jahrbuch des Vermögens und Einkommens der Millionäre in Bayern 1914, Verlag Rudolf Martin Berlin, 1914.

  • Krauss, Marita (Hrsg.): Die bayerischen Kommerzienräte, Volk Verlag 2016.

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Anneliese van Wien

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Emma Wallach