Lilly (auch Cilly) Rothschild, geb. Klau
Foto: Stadtarchiv München, DE-1992-RPJ-A-148 Reisepass von Lilly Rothschild
Geboren am 20. November 1890 in Tauberbischofsheim
Deportiert am 20. November 1941 aus München nach Kaunas
Ermordet am 25. November 1941 in Kaunas
Herkunft und Kindheit
Lilly (auch Cilly) war das erste Kind des Kaufmanns Lehmann Klau und seiner Frau Henriette, geborene Regensburger. Sie wurde am 20. November 1890 in Tauberbischofsheim geboren. Der Vater stammte aus Theilheim im Landkreis Würzburg (geboren am 28. Juni 1858 in Theilheim, gestorben am 26. Februar 1929 in München). Ihre Mutter Henriette (geboren am 30. August 1867 in Haigerloch, gestorben am 15. Oktober 1904 in München) stammte aus Haigerloch (Zollernalbkreis).
Ihre Schwester Martha kam im Jahr darauf, am 14. September 1891, ebenfalls in Tauberbischofsheim zur Welt.
Der Vater war Mitbegründer, Vorstand und später Aufsichtsrat bei der Vereinigten Keltereien AG. Diese wurde am 30. Mai 1923 aus der ehemaligen Firma Gebrüder Klau und M. Hausner Nachfolger umgewandelt. Laut Handelsregistereintrag betrieb die Firma die Kelterei von Weintrauben, Beeren und Früchten aller Art, Weingroßhandel, Branntwein- und Weinbrennerei, die Fabrikation von Spirituosen und Essenzen aller Art und den Großhandel mit Spirituosen.
Lillys Mutter starb am 15. Oktober 1904 in München mit nur 37 Jahren. Lilly und Ihre Schwester Martha waren da 13 bzw. 12 Jahre alt. 17 Monate später, am 23. Mai 1906, heiratete der Vater erneut. Seine neue Frau, Berta Ullmann, wurde am 9. November 1873 in München geboren.
Lilly Klau besuchte in München die Töchterschule.
Heirat
Wo und wie Lilly Klau ihren Mann, den Kaufmann Max Rothschild (geboren am 18. April 1886 in Nordstetten, Kreis Horb), kennengelernt hat, wissen wir leider nicht. Am 7. Dezember 1911 heirateten die Beiden. Die Eltern von Max Rothschild waren der Pferdehändler Sigmund Rothschild und seine Frau Lina, geborene Dampf.
In der Elisabethstraße (zunächst Nr. 28) wohnte das Paar seit 1919. Sie müssen gerne in dieser Straße gewohnt haben, da ihre Umzüge sie jeweils nur in ein Nachbarhaus (später 29 und 30) führte.
Max Rothschild arbeitete in der Geschäftsleitung der Firma seines Schwiegervaters. Am 30. Mai 1923 wurde die Firma, an der Lehmann Klau Mitinhaber war, in die Vereinigte Kellereien AG, vormals Gebrüder Klau & Hauser Nachfolger, umgewandelt. Als einer der Aktionäre wird auch Max Rothschild genannt. Ebenfalls in der Geschäftsleitung arbeitete Karl Stahl. Dieser hatte Luise Klau geheiratet. Sie war die Tochter von Albert Klau, dem verstorbenen Onkel und Mitinhaber der bisherigen Firma. Der „Seniorchef“ Lehmann Klau, war in den Aufsichtsrat gewechselt. Dem Aufsichtsrat gehörte auch Lilly Rothschilds Schwager, der Bankdirektor Sigmund Reinemund, an. Er war der Ehemann ihrer Schwester Martha.
Bis wann Max Rothschild Mitglied der Geschäftsleitung war, ist unklar. In einer Meldung der Münchner Neuesten Nachrichten vom 7. November 1931 wird er noch als solches bezeichnet. Ende 1937 wurde der Betrieb der Vereinigten Kellereien AG vormals Gebr. Klau & Hausner Nachfolger von Karl Stahl übernommen.
Zeit im Nationalsozialismus
Ab dem 27. September 1934 wohnte die Familie Rothschild in der Elisabethstraße 30, im 2. Stock. Dass dies ihr letzter freiwillig gewählter Wohnsitz sein würde, konnten sie zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.
Max Rothschild betrieb in der Elisabethstraße 30/II einen Großhandel mit Tafelöl, Seifen, Wasch- und Putzmitteln, den er am 4. Mai 1938 für den 27. April 1938 abmeldete.
Damit dürfte der Familie die wirtschaftliche Grundlage entzogen gewesen sein und die Beiden mussten von ihren Reserven leben.
Vermutlich wurde auch Max Rothschild im Zuge der sogenannten „Reichskristallnacht“ / Reichspogromnacht in das KZ Dachau verschleppt und dort festgehalten. Es gibt mehrere Häftlingskarten zu Max Rothschild, die ein unterschiedliches Entlassungsdatum haben. Da auf den Karten kein Geburtsdatum vermerkt wurde und es mehrere Personen mit dem Namen Max Rothschild in München gab, ist eine eindeutige Zuordnung nicht möglich. Auffällig ist jedoch, dass Lilly und Max Rothschild am 5. Dezember 1938 München verlassen und „Unterschlupf“ bei der Schwester ihres Mannes, Elsa Sicherer, in Aschaffenburg gefunden haben. Dort blieben sie bis zum 28. Januar 1939, bevor sie wieder in die Elisabethstraße 30 zurückkehrten.
In Jahren 1937-1939 flohen die Geschwister von Max Rothschild; Lilly Rothschilds Schwester Martha gelang 1940 mit ihrem Mann Sigmund Reinemund noch die Flucht.
Auch Max und Lilly Rothschild hatten sich bemüht zu emigrieren. Leider wissen wir nicht, woran es scheiterte. In ihrem Pass befinden sich mehrere Sichtvermerke, einmal eine Ausreisegenehmigung für die USA vom 29. April 1941 und dann eine Reisegenehmigung nach Liberia und in die USA vom 24. Oktober 1941.
Deportation und Tod
Nur knapp einen Monat später, gleich mit der ersten Deportation von Juden aus Bayern, wurde das Ehepaar Max und Lilly Rothschild am 20. November 1941 von München aus nach Kowno / Kaunas verschleppt. Die städtischen Beamten vermerkten auf dem Doppel der Kennkarte „nach Riga >evakuiert<“. Ursprünglich war das Ghetto Riga als Ziel vorgesehen. Da dieses jedoch überfüllt war, wurde der Transport nach Kaunas umgeleitet. Was für ein Euphemismus! Evakuierung meint, dass jemand aus einem Gefahrengebiet herausgebracht wird. Der Transport nach Riga war nach Kowno / Kaunas umgeleitet worden und war ein Transport in den Tod! Ihre Namen sind auf der Transportliste unter den Nummern 794 und 795 vermerkt. Dieser Transport umfasste 998 Menschen. Gleich nach der Ankunft, am 25. November 1941, wurden die Deportierten, zusammen mit Juden aus Berlin, vom Einsatzkommando 3 der Einsatzgruppe A des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD im Fort IX außerhalb von Kowno erschossen. Es waren insgesamt 2.934 Menschen.
Gedenken
In der Elisabethstraße 30, der letzte freiwillig gewählte Wohnort von Lilly und Max Rothschild, wird am 22. Oktober 2025 ein Erinnerungszeichen zu ihren Gedenken errichtet. In diesem Haus lebten mehrere jüdische Bewohner:
Alice und Isidor (Moritz) Neuburger
Ignaz Velisch
Für sie alle wurde ein Erinnerungszeichen angebracht.
Schicksal der Angehörigen
Lilly Rothschilds Schwester Martha wohnte mit Ihrem Mann Sigmund Reinemund in München gleich „um die Ecke“, in der Elisabethstraße 23. Die drei Kinder des Paares, Margot Henriette, Otto Benedikt und Lisl wurden in München geboren. Das Paar konnte zunächst nach England flüchten und 1940 in die USA auswandern. Beide verstarben 1967 in St. Louis, Missouri.
Lilly Rothschilds Stiefmutter, Berta Klau, geborene Ullmann (geboren am 9. November 1853 in München) war ab 1929 verwitwet. Ab 1932 lebte sie bei ihrer ebenfalls verwitweten Schwester, Emma Mayersohn. Diese starb am 23. April 1939. Berta Klau kam am 2. Juli 1942 mit Transport II/11 nach Theresienstadt (Transportnummer 539), wo sie am 25. September 1942 ums Leben kam.
Lilly Rotschilds Cousine Luise Stahl, geb. Klau, und deren Ehegatte Dipl. Ing. Karl Stahl, der ebenfalls im Familienbetrieb tätig war, wurden auch Opfer der Shoa. Sie wurden beide am 17. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und später in Auschwitz ermordet. Karl Stahl starb am 12. Oktober und Luise am 31. Dezember 1944. Ihr gemeinsamer Sohn konnte 1936 nach New York emigrieren.
Text und Recherche
Stefan Dickas
Quellen
Stadtarchiv München, EWK zu Max Rothschild.
Onlinequellen
https://juedisches-unterfranken.de Eintrag zu Lehmann und Henriette Klau sowie Max und Lilly Rothschild, zuletzt aufgerufen am 26.2.2025.
https://gedenkbuch.muenchen.de Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945, Einträge zu Max und Lilly Rothschild, Berta Klau, Luise und Karl Stahl: https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=4795 , https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=7991 , https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=1541 , https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=8325 und https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=623 zuletzt aufgerufen am 26.2.2025.
https://collections.arolsen-archives.org/de/search Einträge zu Lilly Rothschild, Dokumente 11194970 (Transportliste)
https://stadtarchiv.muenchen.de/scopeQuery/detail.aspx?ID=864321 Kennkartendoppel Lilly Rothschild.
https://www.holocaust.cz/de/datenbank-der-digitalisierten-dokumenten/dokument/84691-klau-berta-todesfallanzeige-ghetto-theresienstadt/ Eintrag zu Berta Klau, zuletzt aufgerufen am 26.05.2025.
https://digipress.digitale-sammlungen.de, hier gefundene Hinweise, Münchner Neueste Nachrichten vom 11.5.1906 (Verlobung Lehmann Klau & Berta Ullmann), 29.5.1906 (Vermählung Lehmann Klau & Berta Ullmann), 1.3.1929 (Todesfallanzeigen Lehmann Klau)
https://collections.yadvashem.org/en/deportations/5092218 Informationen zum Transport II/11 vom 1.7.1940, zuletzt aufgerufen am 26.05.2025.
https://digi.bib.uni-mannheim.de/hoppenstedt/uebersicht Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften, 1925, Band 1, Seite 2232/33.
www.arolsen-archives.org Online-Archiv Inhaftierungsdokumente Konzentrationslager Dachau zum Namen Max Rothschild.