Margarete Bihrle
Geboren am 18. Januar 1895 in Burgkunstadt, Kreis Lichtenfels
Gestorben am 14. Januar 1959 in München
Die Familie von Margarete Bihrle
Margarete Friedmann, (auch: Gretchen genannt) wurde am 18. Januar 1895 in Burgkunstadt, Kreis Lichtenfels geboren. Ihre Eltern Rosa Friedmann, geb. Oppenheimer, und Louis Friedmann, ein Kaufmann in München, hatten neben Margarete noch zwei jüngere Kinder: Dr. phil. Fridolin Max (geboren am 2. Juni 1897) und Pauline Berta genannt Paula (geboren am 23. März 1900). Beide wurden ebenfalls in Burgkunstadt geboren.
Ihre Mutter, Rosa Friedmann, starb am 6. Januar 1937 in München. Der Vater, Louis Friedmann, wurde am 18. Juni 1942 mit Transport II/6 nach Theresienstadt deportiert und starb dort am 18. Januar 1943. Der Bruder Fridolin emigrierte im Mai 1939 nach England und starb am 15. Oktober 1976 in London. Die Schwester Paula heiratete 1925 den Historiker und Schriftsteller Dr. Erich Bloch, geboren am 4. August 1897 in Konstanz. Die Ehe wurde nach einigen Jahren geschieden und Paula Bloch emigrierte nach England, wo sie 1993 in Warwick starb.
Umzug nach München
Margarete Friedmann, links mit Bruder Fridolin und Schwester Paula, ca. 1914, Bild: Anja Salewsky, Seite 91
Foto: Bergmannstraße 29 und 31, 2023, privat
Margarete Friedmann zog am 1. Januar 1906 nach München und heiratete am 27. Dezember 1923 den verwitweten katholischen Bankbeamten Heinrich Karl Hans Joseph Bihrle, der am 5. Januar 1898 in München geboren wurde. Sie lebte durch die Heirat nach der Kategorie der Nationalsozialisten in „Privilegierter Mischehe“.
Am 30. August 1925 zog das Ehepaar in den vierten Stock der Bergmannstraße 29. Ihr Sohn, Hans Heinrich, wurde am 26. April 1927 dort geboren. Am 3. August 1931 zog die Familie ein Haus weiter in die Bergmannstraße 31/II.
Repressalien gegen Heinrich Bihrle
Heinrich Bihrle hatte im Jahre 1934 eine Käsegroßhandlung eröffnet. Anscheinend sollte seine Firma in das „Verzeichnis der gewerbepolizeilich gemeldeten jüdischen Gewerbetreibenden in München“ aufgenommen werden. Er beschwerte sich daraufhin gegen die Eintragung. Am 1. Oktober 1938 schrieb das Städtische Gewerbeamt bezüglich jüdischer Gewerbebetriebe an die IHK München und bat um Stellungnahme. Sie schrieben darin, Heinrich Bihrle sei seit 10. August 1934 „mit Großhandel auf Bestellungen mit Käse im Auslieferungslager Ganghoferstraße 17/00 (Keller) gemeldet. Die Ehefrau Margarete Bihrle, geb. 18.1.1895 in Burgkunstadt, ist Jüdin. Zudem war auch sein Schwiegervater Louis Friedmann vormals Käsegroßhändler.“ Aufgrund dieser Tatsache, wollte das Gewerbeamt wissen, ob der Betrieb als jüdisch zu gelten hat. Am 17. Oktober schrieb daraufhin die Industrie und Handelskammer Herrn Bihrle an und bat um eine persönliche Rücksprache. Zur Vorlage sollte er zum Nachweis seiner Staatsangehörigkeit, Abstammung und Wahlberechtigung dienliche Urkunden wie „Staatsangehörigkeitsausweis, Geburtsschein, Taufschein, Trauschein, Militärpapiere, Wahlkarten, sowie Nachweise der Zugehörigkeit zur NSDAP oder der ihr angeschlossenen Gliederungen oder Verbände“ mitbringen.
Am 2. Dezember schrieb die IHK den Rechtsanwalt Heinrich Ritter von Düsel an und bat um Auskunft, ob Heinrich Bihrles Gewerbebetrieb als jüdisches Unternehmen zu gelten hat. Die Antwort kam am 12. Dezember: „Bei dem hohen Alter des jüdischen Schwiegervaters und der Tatsache, daß die jüdische Ehefrau … in seinem Geschäft nicht mittätig ist, erachte ich den Gewerbebetrieb nicht als jüdisch...“. Die IHK schrieb daraufhin am 19. Dezember einen dreiseitigen Brief an die Regierung von Oberbayern, dass ein beherrschender jüdischer Einfluss nicht nachgewiesen werden könne und die Beschwerde von Heinrich Bihrle begründet erscheint. Am 27. Dezember wiederum schrieb die IHK an das Städtische Gewerbeamt: „Unseres Erachtens sind Anhaltspunkte für die Annahme, dass es sich bei dem Gewerbebetrieb des Bihrle um ein jüdisches Unternehmen … handelt, nicht gegeben.“
Zeichen von Menschlichkeit retten sie vor der Deportation
Im Jahre 1941 ereignete sich ein folgenschweres Ereignis für das Leben von Margarete Bihrle. „Im Herbst 1941 hatte spätabends ein Nachbar bei ihr geklingelt, der bei der Gestapo arbeitete. Er sagte, dass sie ab sofort nicht mehr ihre Wohnung verlassen dürfe. Ihr Name stand auf einer Deportationsliste, aber dieser Mann hatte ihn wieder ausgestrichen. >Von jetzt ab existieren Sie nicht mehr!< - so hatte er sich ausgedrückt. Meine Tante Gretel hat seit dem Abend ihre Wohnung nicht mehr verlassen - fast vier Jahre lang! Versorgt wurde sie in dieser Zeit von den nichtjüdischen Nachbarn. Es war bemerkenswert: in dem Haus wusste jeder Bescheid, und alle haben sie geschwiegen.« (Anja Salewsky, Seite 110)
Nachkriegszeit
Einige Monate nach Ende des Krieges bittet Margarete Bihrles Schwester, Paula Bloch, einen in der Nachbarschaft (i.e. Warwick, England) lebenden US-Armeeangehörigen, sich über das Schicksal ihrer Schwester Gretel zu erkundigen. Aufgrund der Suchanfrage wurde Margarete Bihrle am 10. November 1945 in der Bergmannstraße aufgesucht und lebend aufgefunden. In einer Antwort vom 6. Dezember 1945 erfahren die Geschwister, dass ihre Schwester lebt und dass es ihr gut geht. Margarete Bihrle wurde aber erst am 18. Mai 1946 vom Central Tracing Bureau mitgeteilt, wer den Suchauftrag nach ihr gestellt hatte. Außerdem wurde ihr die Adresse ihrer Schwester in England mitgeteilt.
Am 14. Januar 1959 ist Margarete Bihrle in München verstorben. Ihr Mann lebte bis zu seinem Tod am 12. September 1961 weiter in der Bergmannstraße 31.
Text und Recherche
Klaus-Peter Münch
Quellen
Arolsen Archives, 90637696 / 90637699 / 90637701 / 90637702 / 90637707 / 90637708
Bayerisches Wirtschaftsarchiv IHK für München und Oberbayern
Stadt Burgkunstadt, Geburtenbuch
Stadtarchiv München, EWK, Kennkartendoppel DE-1992-KKD-0335
Literatur
Salewsky, Anja: »Der olle Hitler soll sterben!«, Erinnerungen an den jüdischen Kindertransport nach England, München 2001