Max Freund

 

Bild: Familienbesitz

 

Geboren am 20. Juni 1897 in Kleinwallstadt

Gestorben am 28. Oktober 1937 in Amsterdam, Niederlande

 
 

Herkunft und Familie

Max Joseph Freund stammte aus dem nordbayerischen Kleinwallstadt, wo er am 20. Juni 1897 als erster Sohn des Getreidehändlers Philipp Freund und seiner Ehefrau Jenny, geborene Stern, auf die Welt kam. Knapp zwei Jahre später wurde sein Bruder Manfred geboren.

Im nahegelegenen Aschaffenburg besuchte er 1907 bis 1913 die Realschule mit “gutem Erfolg”. Im Anschluss daran absolvierte er eine Lehrzeit als Kaufmann bei der Firma L.S. Mayer GmbH in Frankfurt am Main. Als ältester Sohn sollte er wahrscheinlich einmal den väterlichen Betrieb übernehmen.

Erster Weltkrieg

Wie fast alle jungen Männer dieser Zeit war Max Freund Soldat im Ersten Weltkrieg. Vom 27. April 1916 bis Kriegsende diente er im 5. Bayerischen Infanterie-Regiment in der 2. Ersatz Maschinengewehr-Kompanie. Den Militärunterlagen zufolge kämpfte er in Flandern. Für seine Dienste wurde er 1917 mit dem Militärverdienstkreuz 3. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet. Seine Vorgesetzten erkannten das Potential des jungen Mannes. Im Sommer 1918 absolvierte er in Grafenwöhr einen „Offiziers-Aspiranten“ Übungskurs. Für eine mögliche Offizierslaufbahn waren verschiedene Leumundszeugnisse erforderlich. Zwei davon befinden sich in seiner Offiziers-Personalakte: Der Rektor der Aschaffenburger Realschule schrieb, er sein „ein braver, gefälliger, wohlerzogener junger Mann ehrenhafter Gesinnung und guter Erziehung“. Der katholische Pfarrer seiner Heimatgemeinde Kleinwallstadt beschrieb seinen Vater als  „noblen und liebenswürdigen Charakter“.

Das zum Ende des Übungskurses ausgestellte Zeugnis ist voller Lob. Man beförderte ihn zum Unteroffizier und ernannte ihn zum Reserve-Offiziers-Aspiranten.

Frankfurt am Main

Im April 1920 zog die Familie vom ländlichen Kleinwallstadt in das knapp 60 km entfernte Frankfurt am Main. Die Gründe hierfür sind unbekannt. Die Familie erwarb in der Parkstraße 12, der heutigen Telemannstraße 12, ein Mehrfamilienwohnhaus.

Nur etwa ein Jahr später, am 20. August 1921, starb sein Vater mit 66 Jahren. Im Frankfurter Adressbuch von 1921 ist die väterliche Landprodukte und Getreidegroßhandlung noch eingetragen. Vermutlich wurde der Betrieb nach dem Tod des Vaters aufgegeben bzw. verkauft. Dass Max Freund und sein Bruder Manfred das Geschäft weiterführten ist unwahrscheinlich. Manfred Freund war ab 1920 bis 1931 zunächst als Bankangestellter und Privatsekretär, ab 1926 als Prokurist beim Bankhaus Otto Hirsch & Co., Frankfurt, beschäftigt. Zu Max Freund ist einem Dokument „Meine Person“ zu entnehmen, dass er einige Jahre im Ausland war: Knapp 2 Jahre in London, 4 Monate in Amsterdam. Von 1923 bis 1929 arbeitete er bei der Firma Gebrüder Goldschmidt (Metallwaren). Noch bis 1928 war er in den Frankfurter Adressbüchern als Kaufmann eingetragen. 1928 oder 1929 zog er nach München. Wann er sich in Frankfurt abmeldete, kann nicht mehr nachvollzogen werden, da die entsprechenden Meldekarten durch Kriegseinwirkungen verlorengingen. 

Familiengründung in München

In München, wo Max Freund zunächst in der Gabelsbergerstraße 9 wohnte, arbeitete er bei der Druckerei Beger & Röckel.  Die Firma produzierte Post- und Glückwunschkarten für den gesamten europäischen Markt. Nach dem Tod des Firmengründers führte dessen Frau Ida Lauchheimer, geb. Marx, das Unternehmen mit ihren Brüdern Wilhelm und Sigmund weiter. Es war ein Familienunternehmen, in dem auch die Schwiegersöhne von Wilhelm und Siegmund Marx arbeiteten.

Das Hochzeitspaar vor der Münchner Synagoge (Bild: Familiebesitz)

Max Freund mit Sohn Philipp (Bild: Familienbesitz)

Max Freund lernte hier Ida Lauchheimers Tochter Therese, genannt Thea, kennen. Beide verstanden sich gut und am 6. Juni 1929 heirateten sie. Max Freund war nicht nur ein begabter Offiziers-Aspirant, er machte auch im Familienunternehmen Karriere und stieg als Prokurist zum Leiter der Exportabteilung auf. In dieser Funktion unternahm er viele Geschäftsreisen, auch ins Ausland. Es galt als sicher, dass er eines Tages das Unternehmen mitleiten würde.

Nachdem Max und Therese Freund einige Jahre am Habsburger Platz 5 gewohnt hatten, zogen sie am 30. September 1932 in die Elisabethstraße 39, III. Stock. In unmittelbarer Umgebung lebten einige Familienmitglieder: Wilhelm Marx – sein Chef – in der Elisabethstraße 46, Siegmund Marx in der Ainmillerstraße 35. Seine Schwiegermutter Ida Lauchheimer wohnte in der Tengstraße 33. Auch die Schwiegersöhne von Wilhelm Marx und Siegmund Marx hatten sich in der Nähe niedergelassen: Hans Archenhold in der Elisabethstraße 48, Werner Behrend am Habsburger Platz 7.

Inzwischen war die Familie gewachsen. Am 5. Juni 1931 war ihr Sohn Philipp Siegfried zur Welt gekommen. Drei Jahre später, am 7. November 1934, wurde ihre Tochter Liselotte Jenny geboren.  

Der Familie ging es gut. Max und Therese Freund genossen das Gesellschaftsleben. Sie luden Freunde ein und besuchten das Theater. Sie besaßen ein eigenes Auto, einen Packard, damals ein Luxusfahrzeug. Wie in gutbürgerlichen Häusern üblich beschäftigten sie Haushaltshilfen, eine Köchin und ein Kindermädchen. Sie reisten gern und viel, wie ein Familien-Fotoalbum zeigt. Es enthält Erinnerungen an Reisen nach Tirol, Meran, Marienbad oder Hamburg.  

Max Freund war als Leiter der Exportabteilung viel auf Reisen. Einige seiner Briefe, die er Therese schrieb, sind in der Familie erhalten geblieben. Aus ihnen erfährt man auch, dass er während seiner Reisen häufig Zuhause anrief. Die Briefe sind Zeugnis eines warmherzigen Max Freund, der sich um das Wohl seiner Familie sorgte.

„Machtergreifung“

Nach der Überlieferung der Familie erkannte Max Freund die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig. Als verdienter Kämpfer des 1. Weltkrieges und erfolgreicher Unternehmer wollte er das Erreichte nicht so ohne weiteres aufgeben und hoffte, dass sich die Lage wieder normalisieren würde.

Als Leiter der Exportabteilung bei Beger & Röckel unternahm Max Freund viele Reisen ins Ausland. Das Unternehmen erzielte große Umsätze in ganz Europa und war damit ein bedeutender Devisenlieferant. Seine letzte Geschäftsreise führte Max Freund am 26. Oktober 1937 in die Niederlande. Eine Sterbeurkunde aus Amsterdam beurkundet, dass er dort am 28. Oktober 1937 verstorben ist.

Hinweise, wie es zum Tod von Max Freund auf dieser Geschäftsreise kam, sind dem nach dem Krieg von der Ehefrau gestellten Entschädigungsantrag zu entnehmen:

„Sie gibt an, dass ihr Ehemann am 26. Oktober 1937 als Angestellter der Firma Beger & Röckel, München, Boschetsriederstraße 59, nach Holland fuhr. Beim Grenzübertritt wurde er einer Leibesvisitation unterzogen, wobei man bei ihm Aufzeichnungen über diverse Beträge fand, die von den Grenzbeamten als Vergehen gegen die Devisenvorschriften ausgelegt wurden. Da der Verstorbene mit Genehmigung und Ausweis der Handelskammer in München diese Reise unternommen hatte, durfte er sie fortsetzen. Es wurde ihm befohlen sich sofort nach seiner Rückkehr der Behörde zu stellen.

Am 27. Oktober 1937 wurde die Ehefrau des Verstorbenen, Frau Therese Freund, verhaftet. Man verlangte von ihr Auskunft über die bei dem Verstorbenen vorgefundenen Aufzeichnungen. Herr Max Josef Freund erfuhr von der Verhaftung seiner Frau durch einen Telefonanruf in München.

Infolge dieser Maßnahmen legte der Ehemann Hand an sich und öffnete sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern.“

Wir wissen nicht sicher, ob das die Todesursache war. Erhalten ist nur die Sterbeurkunde aus den Niederlanden, die aber keine Todesursache nennt. Weitere Unterlagen zu den Geschehnissen konnten nicht gefunden werden. Thea Freund berichtete später ihren Kindern und Enkeln, dass die deutschen Behörden den Sarg versiegelt hatten und die Behörden den Sarg bei seinem Begräbnis in München bewacht haben.

Schicksal seiner Familie

Max Freunds Frau Therese konnte zusammen mit ihrer Mutter Ida Lauchheimer und den beiden Kindern Philipp und Liselotte Jenny 1939 in die USA emigrieren.

Max Freunds Tochter Liselotte (Lisa) Avedon wanderte mit ihrer Familie aus den USA nach Kanada aus. Der kanadische Premierminister entschuldigte sich am 7. November 2018, im Namen der kanadischen Regierung bei den überlebenden Passagieren der St. Louis und ihren Nachkommen. Dieser Tag wäre Liselottes 84. Geburtstag gewesen. Ein Kinderbuch „To Hope and Back“ erzählt u.a. die Geschichte von Liselotte Freund.

Max Freunds Sohn Philip und seine Frau Belle Anne waren mit Senator Herb Kohl aus Wisconsin, USA, befreundet.  Kohl setzte sich dafür ein, dass die Senatsresolution 111 am 26. Mai 2009, dem 70. Jahrestag der Abfahrt der MS St. Louis, im Senat der Vereinigten Staaten verabschiedet wurde. Die Resolution ehrt das Andenken an diejenigen, die infolge der Verweigerung der Einreise in die Vereinigten Staaten im Holocaust ums Leben kamen.

Max Freunds Bruder Manfred emigrierte 1939 zunächst nach London. 1940 wanderte er in die USA aus, wo er am 13. Mai 1940 mit der SS Britannic den Hafen von New York erreichte. Er lebte in Newark, New Jersey, und verstarb dort im April 1963.


Erinnerung an Max Freund

Grab vor und nach der Renovierung 2023

Foto: Tom Hauzenberger

An Max Freund erinnert sein Grab auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in München sowie seit dem 24.5.2023 ein Erinnerungszeichen in der Elisabethstraße 39.


Text und Recherche

  • Stefan Dickas

Quellen

  • Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Auskunft vom 4. November 2020.

  • Gemeente Amsterdam Stadsarchief: Inventaris van het Archief van de Burgerlijke stand, Zugangsnummer: 5009 - Sterbeurkunden 1937 - Register 9/fo. 85.

  • Archivauskunft des Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur, Würzburg.

  • Standesamt der Verwaltungsgemeinschaft Kleinwallstadt, Familienregister.

  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Abt. III Kriegsarchiv, OP 35481.

  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, LEA 46515 und 46516.

  • Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, 519-3 Nr. 15113.

  • Briefe und Dokumente aus dem Besitz der Familie Freund.

Internet:

Literatur:

  • Freund Philip S., Freund Belle Anne, Denied Entry in A Survivor`s Journey of Fate, Faith and Freedom, 2011, ISBN-10: 1456351486.

  • Mautner Markhof Georg J.E., Das St. Louis-Drama, Leopold Stocker Verlag, Graz 2001, ISBN 3-7020-0931-0.

  • Kacer Kathy, To Hope and Back in The Journey of the St. Louis. Second Story Press; 1st Edition, September 1, 2011, ISBN‎ 978-1897187968.

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Dr. phil. Ludwig Frank

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Dr. Eugen Fromm