Dr. phil. Ludwig Frank

 

Bild: Staatsarchiv München Pol.Dir. 12409

Geboren am 25. Dezember 1878 in Steinach

Deportiert am 19. Februar 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen

Ermordet am 12. April 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen

 

Die Familie Frank in Steinach

Als Ludwig Frank 1878 zur Welt kam, war Steinach im Kreis Kissingen ein Dorf mit knapp 800 Einwohnerinnen und Einwohnern; etwa 70 bis 80 von ihnen waren jüdisch. Unter den katholischen Bäuerinnen und Bauern war der Antisemitismus nur wenig ausgeprägt, sodass die Jüdinnen und Juden in Frieden leben konnten – wenn auch vorwiegend neben und nicht mit ihren katholischen Nachbarinnen und Nachbarn. Nur selten gingen jüdische Familien im Sommer in den Biergarten der Gastwirtschaft. Auch bei diesen Gelegenheiten blieben sie unter sich. Eine engere Verbindung lehnten die Steinacher Jüdinnen und Juden ab. Als ein Jude eine Katholikin heiratete, wurde er geächtet und musste das Dorf verlassen. Selbst unter den Kindern entstand durch die Trennung von katholischer und jüdischer Schule kein Gemeinschaftsgefühl. 

Etliche jüdische Familien lebten vom Viehhandel – auch Ludwig Franks Vater Otto, 1835 geboren. Seine Brille brachte ihm den Spitznamen „Brillenfrank“ ein. 1866 übernahm er nach dem Unfalltod seines Bruders Jacob zusätzlich dessen Pferdehandel.

Otto Franks zweite Frau Henriette, geborene Schülein, brachte acht Kinder zur Welt: 1876 wurde Bertha geboren, zwei Jahre später Ludwig. Es folgten Leo, 1881 geboren, Benno, 1885 geboren, und Paula, 1887 geboren. Die Geburtsdaten der Geschwister Emma, Salomon und Jacob sind nicht bekannt.


Schulzeit

Ludwig Frank ging zunächst zur jüdischen Schule in Steinach. Der Lehrer unterrichtete jeweils zwei Klassen im selben Raum. Ludwigs Cousin Julius Frank berichtete in seinen später verfassten Erinnerungen an die Steinacher Zeit auch von dem strengen Regiment des Lehrers : „Das Nichterledigen der Hausaufgaben oder widerspenstiges Verhalten im Unterricht wurden mit ein oder zwei Schlägen auf die Hand bestraft, was recht schmerzhaft war. Ab und zu wurde der eine oder andere Junge ausgepeitscht, maximal gab es sechs Schläge.“

Nach der Steinacher Schule besuchte Ludwig Frank das vom Augustinerorden geführte humanistische Gymnasium in Münnerstadt. Weil es keine Bahnverbindung in die zehn Kilometer entfernte Stadt gab, zog Ludwig Frank dorthin. Für koscheres Essen musste er selbst sorgen. Da er als orthodoxer Jude am Sabbat weder arbeiten noch etwas tragen durfte, brachte ihm sein Vater jeden Donnerstag rituelles Essen nach Münnerstadt, das die Wirtin später für Ludwig Frank aufwärmte.


Studium und erste Erfahrungen als Lehrer

Nachdem er 1898 sein Abitur abgelegt hatte, studierte Ludwig Frank zunächst acht Semester an der Technischen Hochschule in München. Mit einem Vergleich zwischen Guss- und Schmiedeeisen für Leitungsröhren – „Hie Gusseisen, Hie Schmiedeeisen!“ – schloss er 1902 sein Studium als Maschinendiplomingenieur ab. In den folgenden zwei Jahren absolvierte er mehrere Praktika im Maschinenbau, unter anderem bei der Lokomotivfabrik Krauss und der Gießerei Sugg in München sowie der Baugewerbeschule in Stuttgart. Um als Lehrer arbeiten zu können, schloss Ludwig Frank vier Semester Mathematik und Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie mehrere Semester an den Universitäten Würzburg und Erlangen an. Erfahrungen als Lehrkraft sammelte er als Aushilfsassistent im Progymnasium Kitzingen und in der Realschule Fürth. 1911 promovierte er in Würzburg zu dem geographischen Thema „Beziehung zwischen Regenfall und Quellergiebigkeit unter besonderer Berücksichtigung der Münchener Wasserversorgung und der Kissinger Quellen“.

1912 trat Ludwig Frank seine erste Lehrerstelle in der Realschule Kempten an. Die Bewertungen konnten besser nicht sein: Der Schulvorstand beurteilte Fleiß, Lehr- und Erziehungsgabe sowie sein Interesse an der eigenen Fortbildung durchweg mit „sehr gut“. Ludwig Frank sei „für alle Klassen“ geeignet, sein Verhalten „tadellos“. Im Januar 1913 wurde er mit einem Jahresgehalt von 3.000 Mark Lehrer an der Realschule Pirmasens; im September 1914 wechselte er an die Bayerische Baugewerbeschule mit Gewerbelehrerinstitut in München.

Weil er wegen eines Herzfehlers ausgemustert wurde, kämpfte Ludwig Frank nicht im Ersten Weltkrieg und arbeitete weiterhin als Lehrer. 1917 musste er trotz einer längeren Krankheit wegen des Lehrermangels stundenweise unterrichten. Im August 1919 suchte er um die Versetzung an eine Münchner Oberrealschule nach.

Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München


Studienprofessor an der Rupprecht-Oberrealschule

Am 1. April 1920 wurde Ludwig Frank Studienprofessor für Mathematik und Physik an der Rupprecht-Oberrealschule in der Rupprechtstraße im Stadtteil Neuhausen. Bis 1924/25 fand der Unterricht in gemischten Klassen statt, wobei die Mädchen deutlich in der Unterzahl waren. Der Klasse von Ludwig Frank gehörten in drei aufeinanderfolgenden Jahren lediglich drei junge Frauen zwischen 17 und 20 Jahren an.

Ludwig Frank war ein engagierter Lehrer. Als ein paar Wochen vor den Abiturprüfungen eine Schülerin an Stirnhöhlenentzündung erkrankte und ihre Eltern ihn um Nachhilfe für ihre Tochter baten, stimmte er zu. Während ihrer Krankheit unterrichtete er Irmgard Heilmeyer in der elterlichen Wohnung. Ihre Lücken in Mathematik scheinen groß gewesen zu sein, denn nach ihrer Genesung setzte er den Unterricht – mit Wissen und Billigung der Eltern – in seiner Privatwohnung fort. Während dieser Zeit freundeten sich Irmgards Eltern Anna und Franz Heilmeyer mit Ludwig Frank an. Alle drei waren Mitglied der Theatergemeinde und so trafen sie sich sowohl privat als auch zu gemeinsamen Theaterbesuchen.


Ein schwerwiegender Vorwurf

Über die Stimmung im Lehrerkollegium lassen sich keine konkreten Aussagen treffen, doch gab es zumindest zwischen Ludwig Frank und seinem Kollegen Hans Simmer Differenzen. Hans Simmer hatte ebenfalls zu einem geographischen Thema promoviert, wenn sich auch seine Dissertation über den „Vulkanismus auf dem afrikanischen Festland und den Inseln“ von Ludwig Franks Arbeit deutlich unterschied. Es ist unklar, ob die beiden Lehrer fachliche Meinungsverschiedenheiten hatten oder ob Hans Simmer einfach eine allgemeine Abneigung gegen Jüdinnen und Juden hatte. Im Juni oder Juli 1930 kam es auf einem Schulausflug zu einem für Ludwig Frank schwerwiegenden Vorfall. Wie er später aussagte, waren ihm „4 [Lehramts]Kandidaten und zwar 2 Herren und 2 Damen“ zugeteilt. Sie saßen alle im Zug mit Ludwig Franks Klasse zusammen: „Es war sehr lustig.“ Vielleich war es die ausgelassene Stimmung, die Ludwig Franks Kollegen provozierte, vielleicht waren es schwelende Streitigkeiten. Jedenfalls beschuldigte ein Kollege bei der Rückkehr Ludwig Frank, einer der Lehramtskandidatinnen „unter den Rock gelangt“ zu haben. Ein Name wurde nicht genannt, doch deutet Franks späterer Hinweis, Hans Simmer sei ihm „sehr ungünstig gesinnt“ gewesen, auf diesen hin. Der Vorwurf „unzüchtiger Handlungen“ hielt einer Überprüfung durch den Direktor nicht stand. Ludwig Frank konnte nachweisen, dass „eine Meinungsverschiedenheit in einer anderen Sache“ zu der Anschuldigung geführt hatte und er „vollständig unschuldig war“.


Mit der Machtübernahme änderte sich das Leben der Juden grundlegend

Unmittelbar nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 gingen die Nationalsozialisten rigoros gegen Juden vor. Am 1. April 1933 hinderten SA- und SS-Angehörige Passanten am Betreten von Geschäften, Arztpraxen und Anwaltskanzleien. Basierend auf dem am 7. April 1933 erlassenen „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wurde nicht nur Anwälten die Zulassung entzogen, sondern jüdische Lehrerinnen und Lehrer konnten in den Vorruhestand versetzt werden. Weil Ludwig Frank schon vor 1914 Beamter war, verblieb er zunächst im Staatsdienst.


Unter Beobachtung

Im Juli 1935 trafen sich Ludwig Frank und die mittlerweile 26-jährige Studienassessorin Irmgard Heilmeyer gemeinsam mit anderen ehemaligen Schülerinnen und Schülern im Gasthaus „Jagdschlösschen“ am Rotkreuzplatz. „Wir unterhielten uns dort in geselliger Runde“, gab Ludwig Frank später zu Protokoll. Offenbar beobachtete und bespitzelte der inzwischen pensionierte Hans Simmer, seit 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP, seinen Kollegen Ludwig Frank permanent.

Hans Simmer war nicht freiwillig aus dem Schuldienst ausgeschieden, sondern das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultur schlug im März 1934 vor, ihn in den Ruhestand zu versetzen. Vorausgegangen waren die seit Juli 1933 anhaltenden Auseinandersetzungen von Hans Simmers mit dem Luisengymnasium und dem Ministerium. Grund dafür war eine schlechte Deutschnote im Zeugnis seiner Tochter. Vor der Spruchkammer 1947 bezeichnete er seine Entlassung als einen Akt von „Hass und Gehässigkeit“. Ein Gutachten stellte jedoch sachliche Gründe fest: „krankhaftes Querulantentum“ und „hemmungslose Reizbarkeit“.

In dem Brief, den er am 6. September 1933 an den „sehr geehrten Parteigenosse[n] Pfeuffer“ schrieb, dem zukünftigen Leiter des Judenreferats der Gestapo München, entlädt sich sein ganzer Frust. Zunächst empörte sich Hans Simmer über die Jüdinnen und Juden, die „weiterhin die Jugend zum Nationalsozialismus erziehen dürfen“, und kam dann auf Ludwig Frank zu sprechen: „Ich habe Ihnen schon viel von dem jüd. St.-Prof. Dr. Ludwig […] erzählt der vor 5 Jahren seine eigenen blonden arischen Schülerinnen wiederholt zum ‚Nachhilfeunterricht‘ auf seine Junggesellenbude kommen ließ. Er hat zahlreiche deutsche Frauen besessen […] und stellt heute noch deutschen Mädchen nach.“ Er habe Ludwig Frank, so Hans Simmer weiter, „wieder abends mit seiner ehemaligen Schülerin Irmgard Heilmeyer in einem Lokal gesehen. Er zieht sonst immer mit ganz üblen Weibern herum und gibt den Schülern das denkbar schlechteste Beispiel. Nun eine große Bitte: Lassen Sie doch den Juden überwachen, mit welchen Frauen er geht. – Samstag und Sonntag ist er immer im Gebirge – ob man ihn nicht öfters mit der blonden Irmgard (klein, blass, Studentin) zusammen sieht, welche ‚Damen‘ ihn besuchen usw.“ Er hatte noch weiteres Anliegen: „Bevor Sie ihn aber wegen Schändung deutscher Frauen verhaften sollten, bitte ich noch um Benachrichtigung. Ich werde an geeigneter Stelle noch einen anderen, ähnlich gearteten Juden namhaft machen. Juden, Schwarze [gemeint waren Katholikinnen und Katholiken sowie Mitglieder der Bayerischen Volkspartei] und Edelkommunisten scheinen bei uns das Narrenrecht zu haben. Heil Hitler, Ihr getreuer Dr. Hans Simmer“.

Neun Tage, nachdem Hans Simmer seinen Brief verfasst hatte, trat am 15. September 1935 das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ in Kraft. Es verbot Eheschließungen sowie außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und „Ariern“. Bei Zuwiderhandlungen drohten Gefängnis- und Zuchthausstrafen.


Im Visier der Polizei

Am 27. November 1935 wurde Ludwig Frank ins Polizeipräsidium vorgeladen. Die Polizeibeamten konfrontierten ihn mit der Anschuldigung, sich der Rassenschande mit „arischen“ Schülerinnen und einer Lehramtskandidatin schuldig gemacht zu haben. Beide Vorwürfe wies Ludwig Frank entschieden zurück. Mit Schülerinnen habe er „nie etwas gehabt“, außerdem sei im Sommer 1930 seine Unschuld festgestellt worden. Die Kriminalpolizei befragte ihn auch zum Nachhilfeunterricht für Irmgard Heilmeyer und zu dem Treffen im Juli 1935 im „Jagdschlösschen“. Ludwig Frank verwies auf die enge Verbindung zu Irmgard Heilmeyers Eltern und betonte, dass er unmittelbar nach Erlass der „Nürnberger Rassengesetze“ den Kontakt zu der Familie abgebrochen habe. Er sitze selbst im Theater nicht mehr neben ihnen. Auch habe er Irmgard Heilmeyer schon längere Zeit vor Inkrafttreten der Gesetze nicht mehr allein gesehen.

Anna und Franz Heilmeyer wurden ebenfalls am 27. November 1935 vernommen. Beide zeigten sich überrascht. Sie hatten Ludwig Frank nur von seiner „besten Seite kennen gelernt“ und erst jetzt erfahren, dass er Jude war. Anna Heilmeyer war bei den Nachhilfestunden oft dabei gewesen und „überzeugt, dass zwischen den Beiden nichts vorgekommen ist“. Sie und ihr Mann mussten versichern, keinen Kontakt mehr zu Ludwig Frank aufzunehmen. Irmgard Heilmeyer, die inzwischen als Lehrerin in Kempten arbeitete, musste am selben Tag vor der Kemptener Polizei aussagen. Zwar ist das Vernehmungsprotokoll nicht überliefert, doch erwähnte sie bei dieser Befragung offenbar gemeinsame Bergtouren mit Ludwig Frank. Dies hatte eine weitere Vernehmung Franks zur Folge.

Am 2. Dezember 1935 bestätigte er, öfter mit Irmgard Heilmeyer beim Wandern gewesen zu sein. Zwischen 1931 und 1935 hatten sie mehrtägige Touren unternommen und übernachteten in den Berghütten meist in Gemeinschaftsräumen. Nur in Gasthöfen, wie im Juli 1935 in der Ramsau, nahmen sie im Notfall ein Doppelzimmer. Er habe nur einmal ihre Hand genommen und sie auf den Mund geküsst: „In sonstiger geschlechtlicher Weise habe ich sie nie berührt.“ Seine Aussagen lassen ahnen, wie erniedrigend die detaillierte Befragung für ihn gewesen sein muss. Eine „Verfehlung nach dem Gesetz vom 15.9.35“ konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Mit einer Verwarnung durfte er die Polizeidirektion verlassen: Sollte sich herausstellen, dass seine Angaben falsch waren, musste er mit Schutzhaft rechnen. Die Vernehmungsprotokolle leiteten die Beamten an die Bayerische Politische Polizei weiter.

Im Januar 1936 wurde Ludwig Frank wie alle anderen noch verbliebenen jüdischen Lehrerinnen und Lehrer aus dem Staatsdienst entlassen. Vielleicht reichte sein monatliches Ruhegeld in Höhe von etwa 370 Reichsmark nicht aus, vielleicht wollte er dem Gerede in der Nachbarschaft entgehen – in jedem Fall zog Ludwig Frank von Neuhausen in das etwa sieben Kilometer entfernte, jenseits der Isar gelegene Stadtviertel Steinhausen. Bis 31. Dezember 1936 wohnte er in der Ismaninger Straße Nr. 62a und danach im Haus Nr. 70 zur Untermiete bei Käthe Gutmann, die selbst jüdisch war.


In den Fängen der Gestapo

Im Zuge der „Kristallnacht“ im November 1938 wurde Ludwig Frank am 10. November ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Am 29. November 1938 kam er zwar wieder frei, doch die Freiheit war nur von kurzer Dauer. Denn Hans Simmer gab nicht auf. Mit der Behauptung, Ludwig Frank sei im Frühjahr 1938 „in Begleitung eines blonden, vermutlich arischen Mädchens im Gebirge gesehen“ worden, wandte er sich erneut an den Leiter des Judenreferats der Gestapo Johann Pfeuffer. Als Zeugen nannte er Ludwig Franks ehemaligen Schüler Alfred Sowade. Dieser gab zu Protokoll: „Wenn Dr. Simmer angegeben hat, ich hätte ihm kürzlich erzählt, dass ich vor einem Jahr Dr. Frank im Gebirge mit einem blonden Mädchen gesehen habe, so ist dies nicht ganz richtig.“ Er könne sich nur an eine zufällige Begegnung mit ihm im November oder Dezember 1937 in der Straßenbahn erinnern, bei der sie sich über frühere Lehrkräfte unterhielten. Dabei sagte Sowade, dass er Ludwig Frank in Tegernsee in der Nähe des Bahnhofs gesehen habe und neben ihm eine blonde Dame. Ob sie zu Ludwig Frank oder einer anderen Gruppe gehört habe, wisse er nicht, und fügte hinzu: „Mir kommt die Sache so vor, als ob Dr. Simmer seinem Kollegen etwas anhängen wollte.“

Trotz dieser entlastenden Aussage vernahm die Kriminalpolizei Ludwig Frank am 30. Januar 1939 nochmals. Er bestätigte, dass er „Berg- und Skitouren mit einer blonden Dame gemacht habe und noch mache. Diese blonde Begleiterin ist meine Hausfrau, die Jüdin Käthe Sara Gutmann“. So sei es auch am Tegernsee gewesen. Die Anzeige wies er entschieden zurück, sie entspringe „dem krankhaften Denunzieren und der Gehässigkeit des Dr. Simmer“. Käthe Gutmann bekräftigte die Aussage: „Außer mir weiß ich keine Frauenspersonen, die Frank auf seinen Touren begleiten würden.“ Die Kriminalpolizei meldete daraufhin an die Gestapo: „Die Jüdin Gutmann hat blonde, ins Graue gehende Haare und ist als Jüdin schwer zu erkennen.“ Da sich keine Anhaltspunkte für eine begangene Rassenschande ergaben, sah sie keine Veranlassung für weitere Ermittlungen.

Die Gestapo sah dies anders. Trotz fehlender Beweise verhaftete sie Ludwig Frank am 23. November 1939. Die dabei gemachten Fotos sind die letzten Aufnahmen, die es von ihm gibt. Ludwig Frank ist korrekt gekleidet mit dunklem Anzug, Krawatte und Hut. Was im Wittelsbacher Palais geschah, ist nicht bekannt, doch Käthe Gutmann berichtete später, Ludwig Franks Haare seien über Nacht weiß geworden.

Staatsarchiv München, Pol.Dir. 12409


Im Konzentrationslager Sachsenhausen

Im Februar 1940 überstellte die Gestapo Ludwig Frank in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Dort traf er am 19. Februar 1940 ein. Nachdem er sich bisher offenbar nicht um eine Emigration bemüht hatte, versuchte er nach seiner Verhaftung mit Hilfe des Rechtsanwalts Hans Bloch Deutschland zu verlassen. Am 14. Februar 1940 informierte das Finanzamt München die Gestapo, Ludwig Frank treffe „vorbereitende Maßnahmen zur Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland“. Am 5. April 1940 beantragte Hans Bloch beim Polizeipräsidium einen Auswandererpass nach Palästina. Eine Passbescheinigung, die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes und ein Passfoto legte er bei. Die devisenrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung sei beantragt und werde nachgereicht, heißt es in dem Schreiben des Anwalts weiter. Er wies zudem explizit darauf hin, dass „als Ausreisetermin der 14. April 1940 vorgesehen ist. Ich bitte daher um vordringliche Behandlung. Sollten sich Rückfragen ergeben, bitte ich um telefonische Verständigung“.

Doch es war zu spät. Am 12. April 1940 wurde Ludwig Frank im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet. Laut Totenschein starb der 61-Jährige um zwei Uhr morgens an einer „Schwellung beider Beine und an Kreislaufschwäche“.


Schicksal seiner Angehörigen:

Dr. Benno Frank, *3.9.1885, war Tierarzt. Mit seiner Frau Alice Stern floh er zunächst nach Rotterdam. Im Februar 1937 emigrierten sie mit der „S.S. Ausonia“ über Southampton nach New York. Ihre Tochter Margot war 1936 nach Kalifornien emigriert.

Leo Frank, *4.8.1881, hatte den Berufs eines Kaufmann erlernt. Mit Blanka Wolfeiler hatte er zwei Söhne, die nach Palästina emigrieren konnten. Leo Frank wurde im Januar 1942 in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert und am 12. März 1942 in der Tötungsanstalt Bernburg ermordet. Blanka Frank wurde von der Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn im Juni 1942 ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet.

Jakob Frank, *24.9.1882, zog nach Bad Kissingen und übernahm nach dem Tod seines Vaters 1907 den Pferdehandel. Er heiratete Gretchen Homm. 1927 zog das Paar nach Würzburg. 1933 emigrierten sie nach Palästina. Jakob Frank starb 1956 in Israel.

Paula Frank, *1.2.1887, verh. Seliger, wurde im Mai 1942 ins Ghetto Belzyce deportiert und ermordet.

Bertha Frank, *24.8.1876, verh. Heilbrunn, starb 1928. Ihr Sohn Werner Heilbrunn wurde im Juli 1942 im Konzentrationslager Majdanek ermordet.

Von seinen Brüdern Simon und Salomon gibt es weder Geburts- noch Sterbedaten.

Julius Frank, *17.5.1889, war ein Couson Ludwig Franks. Auch er legte auf dem Gymnasium in Münnerstadt sein Abitur ab. Anschließend studierte er Sprachen. Nach dem Ersten Weltkrieg war er Studienrat in Nürnberg und Pirmasens. Als er 1935 die Schule verlassen musste emigrierte er über England in die USA und lehrte als Dozent an einer Universität. Dort schrieb er seine Erinnerungen an die Zeit in Steinach und die Familie Frank nieder (Reminiscences of Days Gone By). Er starb 1991 in München im Alter von 102 Jahren.


Hans Simmer im Entnazifizierungsverfahren

Nach dem Krieg musste sich Hans Simmer dem Entnazifizierungsverfahren stellen. Der Vorprüfungsausschuss der Spruchkammer München stellte im Mai 1946 fest, dass Hans Simmer von 1921 bis 1923 und erneut ab 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP sowie 1923 auch der SA gewesen war. 1940 schloss ihn die Partei aus, weil er Parteigenossen beschimpft hatte; 1946 verkaufte er dies als „aktiven Widerstand“. 1941 nahm ihn die Partei „probeweise“ wieder auf. Nach Kriegsbeginn war er zeitweise Blockwart, wenn auch widerwillig, was er auch als Widerstand gewertet wissen wollte. 1947 stufte ihn die Spruchkammer als Mitläufer ein und verurteilte ihn zur Zahlung von 2.000 Mark an einen Wiedergutmachungsfond. Im gleichen Jahr fiel er unter die Weihnachtsamnestie, womit die Zahlung entfielen. Trotzdem legte er Berufung gegen den Kammerbeschluss ein. Einige Jahre stritt er um seine Rehabilitierung und hatte schließlich Erfolg: 1951 hob die Berufungskammer den Spruch der Hauptkammer auf, das Verfahren wurde eingestellt. Daraufhin stellte er einen Antrag auf Wiedergutmachung. Schon 1946 hatte er angegeben, durch die Pensionierung 1934 ein „schwerstgeschädigtes Naziopfer geworden zu sein. Ob der Antrag Erfolg hatte ließ sich nicht nachprüfen.


Seit 24. Oktober 1922 erinnert am ehemaliegen Wohnort in der Johann-von-Werth-Straße 3 eine Stele an Dr. Ludwig Frank.

Bild: Tom Hauzenberger


Text und Recherche

  • Ingrid Reuther

Quellen

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Max Freund