Jela (Johanna) Hirschfelder

 

Jela (Johanna) Hirschfelder um 1938 (Bild: Staatsarchiv München, Pol. Dir. 14007)

Geboren am 16. September 1882 in Stuttgart
Gestorben am 26. August 1944 in Centralia, Illinois, USA

 

Herkunft

Jela Levy, später auch Johanna genannt, war das jüngste Kind des Kaufmanns Sigmund Levy und seiner Ehefrau Frieda Zippora Laupheimer. Sie kam am 16. September 1882 in Stuttgart zur Welt.

Der Vater Sigmund Levy (geboren am 31. Oktober 1847) stammte aus Mühringen und hatte 1876 in Stuttgart einen Jutegewebe- und Säckegroßhandel gegründet. Am 27. Mai 1873 heiratete er die aus Jebenhausen (heute Göppingen) stammende Frieda Zippora Laupheimer.

Das Paar hatte fünf Kinder. Hermine, die älteste Schwester von Jela wurde am 21. November 1873 geboren. 1875 wurde Arthur geboren, der jedoch schon als Kleinkind verstarb. Julius, der später als ältester Sohn die Firma übernahm, wurde am 3. Oktober 1876 geboren und Elsa am 4. Dezember 1878. Der Geburtsort aller Geschwister war Stuttgart.

Über Kindheit und die Schulausbildung von Jela konnten wir leider nichts finden. Aus den Aufzeichnungen ihres Sohnes über die Familiengeschichte wissen wir, dass sie ihren späteren Mann, Heinrich Hirschfelder, durch ihren Bruder Julius Levy kennengelernt hatte.


Heirat und Umzug nach München

Goethestraße 74 vor dem Krieg (Bild: Familienbesitz)

Am 4. Juli 1909 heirateten die Beiden in Stuttgart. Ab 30. Juli 1909 war das Paar in der Goethestraße 74 in München gemeldet. Das Haus lag direkt am Goetheplatz. Gut ein Jahr später, am 12. September 1910, wurde Max Kurt Hirschfelder, ihr einziger Sohn, in München geboren.

Heinrich Hirschfelder lebte vermutlich seit Anfang 1904 in München. Den Familienunterhalt verdiente er mit dem Verkauf von Zubehör für Schneidereien.

Über ihr Leben berichtete der Sohn, Dr. Max Hirschfelder, in seinen Aufzeichnungen. Demnach führte seine Mutter das „Leben einer typischen jüdischen Hausfrau“. Sie traf sich mit anderen jüdischen Hausfrauen am Nachmittag im Kaffeehaus. Ihr Opern-Abonnement nutzte sie nicht sehr häufig, da sie nicht sehr musikalisch war. Der Sohn übernahm gerne ihren Platz. Sie und ihr Mann ermöglichten ihrem Sohn eine glückliche Kindheit

und Jugend. Noch im hohen Alter erinnerte sich Max Hirschfelder gerne an die zahlreichen Radtouren, gemeinsame Besuche auf dem Oktoberfest oder Abstecher in den Biergarten.

Mit 52 Jahren verstarb Heinrich Hirschfelder, am 9. Februar 1929 in München. Er wurde auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in München begraben. Jela Johanna Hirschfelder reservierte die Grabstätte direkt neben ihrem Mann, da sie später an seiner Seite begraben werden wollte Das Geschäft ihres Mannes verkaufte sie an einen traditionsreichen Mitbewerber. Im April 1929 übernahm die Firma Anton Röckenschuss s.W. das Unternehmen. Inhaber war nun der Kaufmann Gustav Schmidt. Das neue Unternehmen firmierte dann als „Hirschfelder & Co. – Anton Röckenschuss s.W.“.

Ebenfalls im Jahr 1929 erwarb  Max Hirschfelder sein Reifezeugnis am nahegelegenen Theresiengymnasium und begann im Herbst dieses Jahres das Studium der Medizin. Die Mutter unterstütze ihn finanziell, so dass auch ein Semester in Bonn und Wien möglich waren. Da in Deutschland eine Approbation für jüdische Mitbürger nicht mehr möglich war, legte er seine Doktorprüfung noch einmal in der Schweiz ab. Auch dies war nur mit finanzieller Hilfe der Mutter möglich.

Vermutlich schweren Herzens liess sie den Sohn 1936 in die USA auswandern und unterstützte ihn auch hier großzügig aus dem Erbe seines Vaters. Er lernte die amerikanische Staatsbürgerin Edith Hirsch kennen und lieben. Am 19. Februar 1939 heirateten die Beiden in den USA. Man kann sich unschwer vorstellen, wie traurig es für Jela Johanna Hirschfelder gewesen sein muss, dass sie an der Hochzeit ihres einzigen Kindes nicht teilnehmen konnte.


Emigration

Wann sie den Entschluss fasste, auch in die USA auszuwandern, wissen wir nicht. Dass ihr Sohn Edith Hirsch geheiratet hatte, erwies sich nun als Glücksfall. Seine eigene Einbürgerungszeit konnte dadurch verkürzt werden und auch die Emigration der Mutter wurde dadurch erheblich erleichtert. Alte Dokumente aus 1939 und 1940 zeigen, wie Jela Hirschfelder die notwendigen Papiere zusammentrug. Aus München hatte sie sich am 19. März 1941 nach Amerika abgemeldet. Am 8. April 1941 erreichte Johanna Hirschfelder den New Yorker Hafen. Im Herbst 1941 begannen in München die Deportationen der Jüdischen Bevölkerung. Das „Timing“ hätte nicht viel knapper sein dürfen.

Todesanzeige erschienen im “Aufbau”, New York, 8. September 1944

Sie lebte bis zu Ihrem Tod am 26. August 1944 bei ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter. Sie erlebte noch die Geburt ihres ersten Enkelsohns Dennis, der 1942 auf die Welt kam. 

Ihre Todesanzeige erschien in der Zeitung „Aufbau“, die wohl die wichtigste Informationsquelle für jüdische Flüchtlinge in den USA war.


Jela Johanna Hirschsfelders Geschwister

Hermine Levy

Ihre Schwester Hermine (geboren am 21. November 1873 in Stuttgart), hatte den Hechinger Unternehmer Rudolf Levi (geboren am 7. März 1863) geheiratet.  Das Ehepaar hatte keine Kinder und lebte in Hechingen. Rudolf gehörte zur Hechinger Verwandtschaft Albert Einsteins und beherbergte ihn mehrmals bei seinen Besuchen. Zusammen mit Emil Weil war Rudolf Levi Vorstandsvorsitzender der Hechinger Zwirnerei und Nähfadenfabrik Julius Levi & Co. AG. Zeitweise war er als Präsident der Handelskammer tätig.
Im März 1937 wurde die Firma in eine Kommanditgesellschaft mit Levi und Weil als persönlich haftenden Gesellschaftern umgewandelt. Am 1. Juni 1938 wurde sie zwangsweise an die J. J. Anner OHG aus Reutlingen verkauft. Zwangsverkauft wurden auch ein Wohnhaus in der Kelterstraße 57 und ein Gemüsegarten in den Hahnwiesen.
Nach dem Verkauf lebte das Ehepaar vom verbliebenen Vermögen. Hermine starb am 14. Februar 1941 in Stuttgart. Rudolf musste im Herbst 1941 nach Dellmensingen (im heutigen Alb-Donau-Kreis) umziehen. Das war einer der Orte, in denen die Behörden die aus den größeren Städten Württembergs vertriebenen Juden konzentrierten, bevor sie sie der Vernichtung zuführten. Am 22. August 1942 wurde Rudolf Levi nach Theresienstadt gebracht. Dort kam er wenig später, am 22. Oktober 1942, ums Leben.

Julius Levy

Ihr ältester Bruder, Julius Levy (geboren am 3. Oktober 1876 in Stuttgart), der 1923 vom Vater das Familienunternehmen übernommen und fortgeführt hatte, wurde mit dem Transport XIII am 23. August 1942 von Stuttgart nach Theresienstadt deportiert (Listennummer 261). Einige Tage vorher musste er sich auf dem Killesberg einfinden. Dieses Zusammenfassen in einem Sammellager, war eine Maßnahme der Nazis, um die Menschen leichter deportieren zu können. Am 26. September 1942 wurde er in das Todeslager Treblinka deportiert (Listennummer 1075). Es ist anzunehmen, dass er direkt nach der Ankunft ermordet wurde.

Elsa Levy

Elsa Levy (geboren am 4. Dezember 1878 in Stuttgart) heiratete am 12. Dezember 1901 den ebenfalls in Stuttgart geborenen Max Sontheimer (geboren am 14. März 1879).

Elsa und Max wurden ebenfalls mit dem Transport XIII am 23. August 1942 von Stuttgart nach Theresienstadt deportiert (Listennummer 298, 299). Am 26. September 1942 wurden sie in das Todeslager Treblinka deportiert (Listennummer 1079, 1080). Es ist anzunehmen, dass auch sie direkt nach der Ankunft ermordet wurden.

Die Eheleute hatten eine Tochter namens Alice (geboren am 8. Oktober 1902 in Stuttgart). Sie hatte am 17. Juni 1926 Josef Lauchheimer geheiratet. Über ihr Schicksal wissen wir nicht viel, aber es scheint , dass sie nach England emigrieren konnte und dort 1956 verstorben ist.


Text und Recherche

  • Stefan Dickas

Quellen

  • Staatsarchiv München, Polizeidirektion München Nr. 14007.

  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv, LEA 75303.

  • Max Hirschfelder: Die Geschichte der Familie Hirschfelder, USA im Februar 1995.

  • Stadtarchiv Stuttgart, Signatur 2689-2 Dokumentation zur Firma Levy.

  • Stadtarchiv Stuttgart, Familienregister zu Levi und Sontheimer, Signatur 32/701 und 94/512.

Internetquellen:

 
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Therese Herz, verw. Freund, geb. Lauchheimer

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Dr. Max Hirschfelder