Georg Bautler

A-G
 

Foto: Staatsarchiv München, Polizeidirektion München 11543.

Geboren am 7. Januar 1904 in Cham

Ermordet am 9. September 1943 im KZ Mauthausen 

 

Herkunft und Familie

Als Georg Bautler am 7. Januar 1904 in Cham als erstes Kind der Anna Rädlinger (1875-1930) zur Welt kam, waren seine Eltern noch nicht verheiratet. Der Vater stand jedoch zu seiner Verantwortung. Auf der Geburtsurkunde des Kindes ist vermerkt, dass sich der ledige Hafenaufseher Peter Bautler (1875-1940), wohnhaft in Ludwigshafen, am 15. Februar 1904 zu seinem Kind bekannt hat. Ein Jahr später, am 13. Februar 1905, heiratete er die Kindsmutter in Cham. 

Bedingt durch den Beruf des Vaters kam es in der Kinderzeit wiederholt zu Ortswechseln. Zum 1. Juni 1906 verzog die Familie von Cham nach Bärnau (Landkreis Tirschenreuth an der Grenze zur Tschechischen Republik). Dort wurde am 22. Januar 1908 Georgs Bruder Heinrich geboren. Von weiteren Geschwistern ist nichts bekannt.  

Zum 1. April 1910 meldete sich die Familie von Bärnau nach Kufstein ab, wo sie anschließend bis Jahresende 1912 gemeldet blieb. Der neue Wohnort, wieder ein „Grenzort“, lässt vermuten, dass der Vater erneut versetzt wurde. Ab September 1919 ist die Familie dann in München gemeldet. Wo sie in der Zwischenzeit lebte, konnte nicht geklärt werden.

Zur schulischen und beruflichen Ausbildung von Georg Bautler konnten wir leider nichts in Erfahrung bringen. In späteren Dokumenten wurden die Berufsbezeichnungen Kaufmann oder Bürogehilfe genannt. Es ist aber zu vermuten, dass die häufigen Ortswechsel in der Kindheit sich eventuell auf die Entwicklung und Ausbildung des Kindes ausgewirkt haben.


Neugier auf die Welt

Mit knapp 20 Jahren erhielt Georg Bautler 1923 seinen ersten Reisepass. Die in den Pass eingestempelten Visa für Reisen nach Dänemark, Österreich oder Ungarn belegen die rege Reisetätigkeit, auf die auch die Behörden bald aufmerksam wurden. 

Im Mai 1924 kam Georg anscheinend erstmals in Kontakt mit der Sittenpolizei. Er wurde vernommen „wegen: Verdachts der widernatürlichen Unzucht“. Man hatte bei einem Homosexuellen Karten mit Grüßen an Bautler gefunden, die einschlägige Bemerkungen enthielten. Die Polizei zog daraus den Rückschluss auf eine mögliche homosexuelle Veranlagung Georg Bautlers. Dieser bestritt, homosexuell zu sein und die Polizei konnte ihm nichts nachweisen. Der Vorgang wurde zu den Akten genommen. Erst etwa ein Jahrzehnt später holten ihn diese Vorwürfe wieder ein.

Knapp ein Jahr später erfolgte eine erneute Verhaftung durch die Sittenpolizei. Dieses Mal warf man ihm vor, er habe sich als Strichjunge betätigt und Kuppelei betrieben. Bautler wurde von einer älteren Frau erpresst, der er bei ihrem Scheidungsverfahren nicht die erwartete Unterstützung zukommen ließ. Den damaligen Vernehmungsprotokollen ist zu entnehmen, dass er in dieser Zeit „herumkam“, unter anderem werden Aufenthalte in Berlin, Kopenhagen und Wien vermerkt. Wie er diese finanzierte, ist unklar. Er gab selbst an, ohne ständige Arbeit zu sein und von Zuwendungen seiner Eltern zu leben.

Foto: Staatsarchiv München, Polizeidirektion 11543 


Reisen zwischen zwei Welten

Die nächste Spur führt in die USA. Die Passagierlisten der Norddeutschen Lloyd weisen aus, dass Georg Bautler am 16. Mai 1926 mit dem Schiff Berlin von Bremen nach New York reiste. Zehn Tage später wurde in New York seine Einreise dokumentiert. Die Beweggründe für die Auswanderung sind nicht bekannt.War es die schlechte Arbeitsmarktlage, waren es die Erfahrungen mit der Sittenpolizei oder legte er einfach keinen Wert auf eine bürgerlich- bodenständige Existenz und wollte neue Lebenserfahrungen in den USA sammeln? 

Es sind mehrere Ein- und Ausreisen in die / aus den USA dokumentiert (1926, 1927, 1928 und 1931). Erhalten geblieben ist auch Georg Bautlers Absichtserklärung vom 31. März 1927, amerikanischer Staatsbürger werden zu wollen. Nach eigenen Angaben hat Georg Bautler in den USA als Kellner gelebt und auch gut verdient. In den Reiseunterlagen gab er als Beruf jedoch auch Tänzer oder Künstler an.

Für seine Reisen benötigte er im Juni 1931 einen neuen Reisepass. Dieser wurde vom Deutschen Generalkonsulat in New York ausgestellt. Neben den historischen Unterlagen der Einwanderungsbehörden der USA hielten auch die später in München erstellten Polizeiunterlagen danach zwei Reisen zwischen München und den USA fest.  

So kehrte er am 16. Oktober 1931 nach New York zurück. Im Jahr darauf, am 19. September 1932, verstarb seine Mutter. Er reiste erneut nach Deutschland und brachte nach Angaben seines Vaters Ersparnisse in Höhe von rund 1000 RM mit. Dem Rat seines Vaters, dieses Geld zum Erwerb eines Geschäfts zu verwenden, folgte er jedoch nicht, „sondern hat mit seinem Geld flott gelebt, ist immer spät heimgekommen und vormittags im Bett liegen geblieben.“


Leben im Nationalsozialismus

Bis September 1934 lebte Georg Bautler ununterbrochen in München. Danach hielt er sich bis Dezember 1934 auf der Suche nach Arbeit in Stuttgart auf, jedoch ohne Erfolg, wie die Vernehmungsprotokolle bestätigen. Als seine Ersparnisse aufgebraucht waren, kehrte er Mitte Dezember 1934 zurück nach München, wo er sich von seinem Vater das so genannte „Muttergeld“, ein Erbe in Höhe von 700 RM, auszahlen ließ. Einen Großteil dieses Geldes verspielte er in Baden-Baden ab Anfang 1935. Vom 4. Januar bis zum 10. Februar wohnte er dort bei einer Rentnerin zur Miete. Diese Dame bezichtigte ihn und seine Mitbewohner schließlich des „schweren Diebstahls“.  Laut Bautler behauptete diese Dame immer wieder, auch von anderen Mietern bestohlen worden zu sein. 

Trotz umfangreicher Ermittlungen konnte man Georg Bautler den Diebstahl nicht nachweisen. Bei einer Hausdurchsuchung wurden keine der gestohlenen Gegenstände gefunden, man fand aber Wertsachen, für die er jedoch plausible Erklärungen vorlegen konnte. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt. 

Nach diesen Vorfällen wurde Bautler nicht mehr polizeikundig. Im Jahr 1935 wurde erneut gegen ihn ermittelt, und er wurde, wie es in der Polizeiakte heißt, „wegen Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit und Sicherheit“ aufgrund von „widernatürlicher Unzucht“ in „Schutzhaft“ genommen. 

Zu einem Prozess oder gar einem Urteil kam es jedoch nicht. Bekannt ist, dass es Ermittlungen zur Person gab und Georg Bautler einen für damalige Verhältnisse unangepassten Lebensstil hatte. Offenbar ist er jedoch nie straffällig geworden. Dennoch ordneten die Behörden die Schutzhaft an. 

Am 16. September 1936 wurde Georg Bautler ins Konzentrationslager Dachau eingewiesen, wo er bis zum 29. September 1939 blieb. Erhalten ist aus dieser Zeit ein Brief an Freunde, mit dem er sie leihweise um etwas Geld und Briefmarken bittet, damit er seine Lebensbedingungen im Lager etwas verbessern kann. Die direkte Zusendung von Geschenken war nicht möglich.

Am 27. September 1939 überführte man ihn weiter in das Konzentrationslager Mauthausen. Dort wurde er unter der Häftlingsnummer 130 geführt und war im Block 7 untergebracht. In diesem Block lebten zumeist polnische Häftlinge, aber auch Homosexuelle und „Bibelforscher“. Auf seiner Häftlings-Personal-Karte ist vermerkt, dass Georg Bautler in der Wäscherei eingesetzt war.

Bautler verstarb am 9. September 1943 mit nur 39 Jahren im Konzentrationslager Mauthausen angeblich an einem Herzschlag. Allerdings sind die in den Lagerakten angegebenen Todesursachen nicht unbedingt verlässlich. Das Konzentrationslager Mauthausen war wegen seiner extrem harten Lebens- und Arbeitsbedingungen gefürchtet. Vermutlich ist Georg Bautler an den Folgen der jahrelangen Lagerhaft und der Mangelversorgung gestorben.


Gedenken

Seit dem 15. Oktober 2025 gibt es für Georg Bautler am Oskar-von-Miller-Ring 20 (früher Glückstraße 19) ein Erinnerungszeichen. Unter dieser Adresse war er über einen längeren Zeitraum gemeldet. An seinen beiden letzten Meldeadressen, der Schwanthalerstraße 48 und der Dachauer Str. 4, wohnte er hingegen nur sehr kurz.


Text und Recherche

  • Stefan Dickas

Quellen

  • Arolsen Archives, Bestand: Individuelle Häftlingsunterlagen, KL Mauthausen, Dokument 1349212, hier Todesmeldung.

  • Stadtarchiv Cham, Geburtsregister Nr 5 /1904, Register der Eheschließungen Nr. 6 / 1905 und Heimatbögen.

  • Auskunft des Stadtarchives Bärnau vom 6.7.2022.

  • Archiv Kufstein, MK Peter Bautler.

  • Stadtarchiv München, EMK zu Georg Bautler.

  • Staatsarchiv München, Polizeidirektion München 11543.

  • KZ Gedenkstätte Dachau. Häftlingsauszug.

  • KZ Gedenkstätte Mauthausen, Auskunft vom 9.6.2022.

Onlinequellen

Literatur

  • Der Rosa-Winkel-Gedenkstein – Die Erinnerung an die Homosexuellen im KZ Dachau, Herausgeber Albert Knoll, Splitter 13 des Forum Homosexualität München, ISBN 978-3-935227-19-3.

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Hannelore Bach

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Marie Bernheim, geb. Nathan