Siegfried Bernheim
Siegfried Bernheim, Foto: privat, Michael Bernheim
Geboren am 14. März 1866 in Ulm
Gestorben am 8. April 1937 in München
Geburt in Ulm
Rosa und Isak Bernheim, Foto: Alemannia Judaica
Der Grabstein auf dem Augsburger Friedhof, Foto: privat
Siegfried Shimon Bernheim wurde am 14. März 1866 in Ulm als eines von sechs Kindern von Therese (Rosa/Röse, geb. Coblenzer, geboren am 4. September 1843) und Isak Bernheim (20. Dezember 1837) geboren. Im Ulmer Adressbuch von 1868 ist der Kaufmann Isak Bernheim in der Kleinen Herdbruckerstraße aufgeführt. Er starb am 2. September 1924, seine Frau am 27. März 1935.
Siegfried Bernheim schaffte nicht das Einjährige (heute Mittlere Reife) und musste als Volksschüler im Gegensatz zu Gymnasiasten (= ein Jahr) drei Jahre im Heer des Kaisers (in der Festung Metz) dienen.
Heirat und Kinder
Am 28. Mai 1896 heiratete er Marie Nathan (geboren am 27. Juli 1873 in Ulm). Sie bekamen drei Söhne und lebten 40 Jahre lang in Augsburg. Kurt, geboren am 3. Juni 1897, Willy, geboren am 1. Juni 1900 und Heinz, geboren am 1. November 1903. Alle Jungen kamen in Augsburg zur Welt.
Familie Bernheim ca. 1915, Foto: privat Michael Bernheim
Fabrikgründung in Pfersee
Anzeige des Seidenfabrikanten Gustav Cords aus Köln, in „Der neue Tag. 1934-1944“, Samstag, 12. März 1938, Seite 7
Isak Bernheim besaß in Pfersee bei Augsburg eine Mechanische Weberei, die jedoch in Konkurs ging. Wegen der damals bestehenden gesetzlichen Bestimmungen gab er als Gründerin und Inhaberin der neuen Firma „Appretur- und Schlichtemittelfabrik“ seine Frau Rosa/Röse an.
Die 1888 in der Färberstraße 12 in Pfersee gegründete Fabrik leitete später Siegfried Bernheim. In der Firma wurden chemische Produkte für die Textilindustrie hergestellt. Anfang der 1930er-Jahre war die Firma mit dem Imprägniermittel Imprägnol („Vom Äquator bis zum Pol wird imprägniert mit Imprägnol“) sehr erfolgreich, die vor dem Zweiten Weltkrieg in kaum einem deutschen Textilbetrieb oder Haushalt fehlte. Es wurden sogar eine Reihe von Tochtergesellschaften im Ausland gegründet. Siehe hierzu die Anzeige, die auf die Verwendung von Imprägnol hinweist.
Überschriften aus der „Neue Augsburger Zeitung“, Foto: privat, Michael Bernheim
Vor 1933 übernahm Siegfried Bernheims Sohn Willy die technische Leitung der Fabrik. Am 22. Februar 1933 wurde er wegen angeblicher Devisenvergehen und Steuerhinterziehung für zwei Jahre inhaftiert, das Familienunternehmen wurde in der Folge enteignet, „arisiert“ und in Chemische Fabrik Pfersee umbenannt.
Siegfried Bernheim war Mitangeklagter bei diesem Prozess und wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von insgesamt 180.000 Mark bzw. 180 Tagen Gefängnis verurteilt. Er musste außerdem für die Geldstrafe (256.000 Mark), die gegen seinen Sohn Willy verhängt wurde, haften. Der zweite Mitangeklagte Kurt Bernheim wurde freigesprochen.
„Flucht“ nach München
Siegfried Bernheim und seine Familie verließen Augsburg auf Grund der immer stärker werdenden Verfolgung als „reiche“ Juden. Der letzte freiwillige Wohnort des Ehepaars war in der Frölichstraße 10 ½ in Augsburg. Ihre Firma fiel als eine der ersten Augsburger Firmen dem Wirtschaftsterror der Nationalsozialisten gegen jüdische Firmen zum Opfer. Um die Familie Bernheim wirtschaftlich und gesundheitlich zu ruinieren, wurde ein Strafverfahren eingeleitet, das von Augsburger Zeitungen („Bernheim-Prozeß“) mit rufmordartigen Artikeln begleitet wurde. Das Familienunternehmen wurde schließlich „arisiert“ und 1949 schließlich zu 50 Prozent an die Familie rückübertragen.
Die Familie Bernheim hoffte, in der Großstadt München eher „unerkannt“ leben zu können, was sich als großer Irrtum herausstellte. Am 12. Juni 1935 zogen sie nach München und wohnten ab 15. Juni in der Pension Patria in der Goethestraße 54. Seit 7. April 1937 mietete die Familie eine eigene Wohnung in der Giselastraße 18, in Schwabing. Jedoch einen Tag später erlitt Siegfried Bernheim einen tödlichen Herzschlag.
Grab in Augsburg
Grabsteine auf dem Friedhof in Augsburg,Foto: privat
Siegfried Bernheim ist auf dem jüdischen Friedhof Augsburg in der Haunstetter Straße, Sektion N 35, Grab 2 beerdigt. Auf dem Grabstein wird auch seiner Frau Marie gedacht. Sein Sohn Willy und dessen Ehefrau Stefanie Bernheim sind ebenfalls dort begraben. Rechts neben seinem Grabstein befindet sich der Grabstein seiner Eltern Isak und Röse Bernheim.
Text und Recherche
Text: Museum Villa Stuck, überarbeitet von Klaus-Peter Münch
Quellen
Haus der Stadtgeschichte - Stadtarchiv Ulm, StA Ulm Familienregister, Band A1, Blätter 102 u 104.
Internet
https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20283/Pfersee%20Ind%20011.jpg.
Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945: https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=793.
Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945: https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=8866.
https://www.geni.com/people/Isaak-Isak-Isaac-Bernheim/6000000011937714265.
https://www.wissner.com/stadtlexikon-augsburg/artikel/stadtlexikon/pfersee-chemie-gmbh/5006.
Literatur
Bergmann, Ingo (Hg.): Und erinnere dich immer an mich. Gedenkbuch für die Ulmer Opfer des Holocaust, Ulm 2009
Bernheim, Erhard und Römer, Gernot (Hrsg.): »Halbjude« im Dritten Reich. Die Erinnerungen des Augsburger Fabrikanten Erhard Bernheim, Augsburg 2000
Bernheim, Willy; aus dem Nachlass kritisch herausgegeben von Michael Bernheim, Michael Friedrichs, Klaus Wolf: Was tue ich eigentlich in Meknes? Ein Augsburger Jude als französischer Soldat im Zweiten Weltkrieg, Augsburg 2023
Murr, Karl Borromäus: "Eines der ersten jüdischen Opfer des Nationalsozialismus"? Der Fall Bernheim in Augsburg, in: Fassl, Peter (Hg.): Ausplünderung der Juden in Schwaben während des Nationalsozialismus und der Kampf um Entschädigung, Konstanz 2020
Römer, Gernot: Schwäbische Juden. Leben und Leistungen aus zwei Jahrhunderten in Selbstzeugnissen, Berichten und Bildern, Augsburg 1990