Ida Pauson, geb. Aufseeßer

 

Stadtarchiv München, Kennkartendoppel 1938/39

Geboren am 22. September 1865 in Haßfurt

Deportiert am 18. Juni 1942 von München nach Theresienstadt

Ermordet am 24. November 1942 in Theresienstadt

 
 

Herkunft und Familie

Ida Aufseeßer kam am 22. September 1865 im unterfränkischen Haßfurt als zweitältestes Kind des Kaufmanns Jakob Aufseeßer und seiner Frau Babette, geborene Zeiller, zur Welt.

Sie hatte vier Geschwister, den älteren Bruder Josef, geboren am 21. Juni 1864, die jüngeren Geschwister Klothilde, geboren am 25. Februar 1868, Hugo, geboren am 2. März 1872 und Paul. Von ihm ist leider nur der Name bekannt.

Einige Jahre später zog die Familie vom kleinstädtischen Haßfurt in das knapp 100 Kilometer entfernte Nürnberg. Vermutlich versprach man sich dort bessere Geschäfts- und Lebensaussichten. Wie schon in Haßfurt war die Familie im Handel tätig und betrieb dort ein Putz- und Modewarengeschäft. Putzmacher war damals die Bezeichnung für Hutmacher.


Heirat und Leben in München

Mit 22 Jahren heiratete Ida Aufseeßer, am 21. Mai 1888 in Nürnberg, den am 8. Juni 1861 in Marktredwitz geborenen Martin Pauson. Das Paar zog nach München, wo Martin Pauson seit dem 1. April 1880 lebte. Ihr Mann hatte als 20-jähriger, am 5. November 1884, in der Neuhauser Straße 5 eine „Porzellan-, Glas- und Majolika-Industrie“ (farbige Keramiken) mit eigenen Werkstätten gegründet. Noch heute findet man im Internet oder im Antiquitätenhandel zahlreiche Bierkrüge oder Keramikerzeugnisse, die die Prägung „Martin Pauson München“ tragen. Sie sind begehrte Sammlerstücke. Martin Pausons Vater war Korbwarenhersteller in Lichtenfels bei Bamberg. Martin hatte ebenfalls vier Geschwister, alles Brüder, den 14 Jahre älteren Bruder Adolph, den neun Jahre älteren Pankrat, den drei Jahre älteren Max und Hermann, von dem nur der Name bekannt ist.

Am 28. Dezember 1893 wurde dem Ehepaar Ida und Martin Pauson eine Tochter, Cornelia, genannt Nelly, geboren. Sie war das einzige Kind des Paares.

Münchner Neueste Nachrichten vom 12.5.1899

Münchner Neueste Nachrichten vom 4.6.1929

Im Mai 1898 erwarb Martin Pauson das Grundstück in der Neuhauser Straße 9. Er errichtete dort ein vierstöckiges Anwesen mit einem dreistöckigen Rückgebäude. Dort bezog die Familie im Mai 1899 die Wohnung im 3. Stock. Die Münchner Neueste Nachrichten berichteten vom neuen Prachtbau in der Münchner Altstadt. Das florierende Geschäft wird in die neuen Räumlichkeiten verlegt. Die Werkstätten in der Neuhauser Straße 5 laufen noch einige Zeit weiter, bis sie dann nach 1900 eingestellt wurden.

Die Firma Martin Pauson war inzwischen weit über Bayerns Grenzen hinaus bekannt. Das Geschäft verkaufte zusätzlich auch Küchenmöbel, Haushaltswaren, Geschenkartikel oder stellte die Aussteuer für Hochzeiten zusammen. Ab 1906 wurde Ida Pausons jüngerer Bruder, Hugo Aufseeßer, Teilhaber am Unternehmen.

Münchner Neueste Nachrichten vom 15.2.1930

Die inzwischen 26-jährige Tochter Nelly heiratete 1920 in München den 29-jährigen, aus Nürnberg stammenden Rechtsanwalt, Dr. Kurt Mosbacher. 1923 kam die Enkelin Hanna Elisabeth, kurz Hanni genannt, zur Welt.  

Im September 1930 bezog Ida Pauson mit ihrem Mann Martin eine Wohnung in Haidhausen, in der Maria-Theresia-Straße 19. Am 21. Oktober 1934 verstarb Martin Pauson im Alter von 73 Jahren. Es war ihm, wie auch seinen Brüdern, ein natürlicher Tod vergönnt.

Nur wenige Tage nach dem Tod des Firmengründers konnte die Firma Martin Pauson am 5. November 1934 ihr 50. Jubiläum feiern. Die „Münchner Neueste Nachrichten“ und die „Neue freie Volks-Zeitung“ berichteten darüber. Hugo Aufseeßer, Ida Pausons Bruder, der zu diesem Zeitpunkt schon seit 42 Jahren im Unternehmen und auch Teilhaber war, führte nun alleine die Geschäfte weiter.

Im Dezember 1934 zog die im gleichen Jahr verwitwete jüngere Schwester von Ida Pauson, Klothilde Neuburger, von Nürnberg nach München zu ihr in die Maria-Theresia-Straße.


Zeit im Nationalsozialismus und Verfolgung

Ab 1938 wurde die Lage für Juden immer bedrohlicher. Im Juli 1938 wird die Firma in der Neuhauser Straße 9 „arisiert“ und vom Oberpfälzer Fritz Haertle übernommen. Das renommierte Traditionshaus hatte zu diesem Zeitpunkt noch 38 Beschäftigte. Den verbliebenen zwei jüdischen Fachkräften wurde gekündigt. Im „Völkischen Beobachter“ verkündete Haertle, dass die Firma nunmehr in „deutschen Besitz“ übergegangen sei. Das riesige Warenlager und das Inventar wurden unter Marktwert übernommen. Mit Ida Pauson wurde vereinbart, dass für die noch in ihrem Besitz befindlichen Firmenräume eine Jahresmiete von 42.000 RM zu bezahlen sei. Doch schon bald musste auch der Immobilienbesitz zwangsverkauft werden. Ida Pauson und ihre Tochter Nelly Mosbacher „verkauften“ die Grundstücke in der Neuhauser Straße 9 weit unter Wert an die „Vermögensverwertung München GmbH“, deren Gesellschafter der NSDAP-Gauleiter Adolf Wagner war. Dieser verkaufte dann „für sie“, wie es damals hieß, als sei eine völlig freiwillige Beauftragung vorausgegangen, an Fritz und Margarete Haertle.

Nelly Mosbacher konnte mit ihrem Mann und ihrer Tochter um die Jahreswende 1938/39 in die USA emigrieren. Im Frühjahr 1939 gelang auch ihrem Bruder Hugo Aufseeßer, zusammen mit seiner Gattin, die Emigration zu ihrer Tochter nach England.  

Im Frühjahr 1939 hatte Ida Pauson beim städtischen Leihamt, wie alle deutschen Juden, Schmuck und andere Wertgegenstände aus Edelmetall zwangsabliefern müssen. Davon kaufte die Stadt München einen silbernen Aufsatz und ein Silberkaffeeservice an. Nelly Mosbacher erhielt dafür im Jahr 1954 eine Entschädigung von 740 DM.

Im September 1941 mussten Ida Pauson und ihre jüngere Schwester Klothilde Neuburger ihre bisherige Wohnung räumen und ins Hotel Bavaria in der Schillerstraße 10 ziehen, wo schon andere Leidensgenossen wohnten. Im November wurden sie dann in die Goethestraße 66, ein so genanntes „Judenhaus“ eingewiesen, wo auf engstem Raum über 50 Menschen zusammengepfercht leben mussten. Als sei die Wegnahme der Firma und der Zwangsverkauf des Immobilienbesitzes noch nicht genug, musste Ida Pauson für die Finanzierung des Sammel- und Deportationslagers an der Knorrstraße 148 am 9. Oktober 1941 eine - als „freiwillig“ bezeichnete – Spende in Höhe von 10.000 RM leisten.

Im Dezember wurden die beiden Schwestern gezwungen, in das Internierungslager Clemens-August-Straße 9 umzuziehen. Von dort aus gab es kein Entkommen mehr.

Die Beiden wurden am 19. Juni 1942 von München mit Transport II/7 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Von den insgesamt 50 Personen dieses Transportes überlebten nur 2 die Shoah. Ida Pauson starb am 24. November im Alter von 77 Jahren. Ihre Schwester Klothilde Neuburger starb 75-jährig am 16. März des darauffolgenden Jahres.


Erinnerung

Auf dem Neuen Israelitischen Friedhof München hat die Familie Pauson ein Familiengrab; dort ist auch der Ehemann von Ida, Martin Pauson begraben. Eine Gedenkinschrift erinnert an Ida Pauson.

Bild: Privat


Schicksal weiterer Familienangehöriger

Tochter Nelly heiratete 1920 in München den Anwalt Dr. Kurt Mosbacher. Ihnen gelang im Januar 1939 die Emigration über England nach Los Angeles. Sie starb dort am 12. März 1980.Kurt Mosbacher verstarb bereits 1972 in Los Angeles, Kalifornien.

Ida Pausons ältester Bruder, Kommerzienrat Josef Aufseeßer, wurde zusammen mit seiner Frau Wilhelmine, genannt Mina, geborene Bacharch, 1942 von Nürnberg nach Theresienstadt deportiert. Wilhelmine verlor dort ihr Leben am 27. Oktober 1942 und Josef am 23. Februar 1943.  

Ida Pausons jüngerer Bruder, Hugo Aufseeßer, konnte zusammen mit seiner Ehefrau Paula, geborene Mosbacher, im März 1939 nach Cambridge, England, emigrieren. Er starb dort am 1. Dezember 1959. Der Sohn, Kurt Moses Aufseeßer, konnte in die USA emigrieren und starb 1999 in Kalifornien. Die Tochter Herta Babette hatte 1936 in England geheiratet. Sie starb dort 2004.


Text und Recherche

  • Stefan Dickas

Quellen

  • Stadtarchiv München. Bestand Leihamt/Wiedergutmachung Nr. 329.

  • Staatsarchiv München, Bestand Wiedergutmachungsbehörde WB Ia 1317

  • Bayerisches Wirtschaftsarchiv, K1 IX B 44 a, Akt. 2, Fall 2; K1 IX B 44 a, Akt. 21, Fall 24 und K1 IX B 66a, Akt. 31, Fall 7

Internetquellen

Literatur

  • Wolfram Selig: „Arisierung“ in München, Die Vernichtung jüdischer Existenzen 1937-1939, Metropol, Berlin 2004.

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