Elfriede Löhr

 

Elfriede Löhr, 1946
(Foto: Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa)

Geboren am 19. August 1910 in München

Gestorben am 18. November 2000 in Selters/Ts.


Aufgabe des Traumberufs

Elfriede Löhr wollte nach hervorragenden schulischen Leistungen Lehrerin werden. Nach schwerer Erkrankung ihrer Mutter 1927 entschied sie sich, diese zu pflegen und ihren Vater in seiner Schwabinger Zahnarztpraxis zu unterstützen. Ab 1933 stellte sich die Zeugin Jehovas einer weiteren schweren Herausforderung: dem Verbot ihrer Glaubensgemeinschaft.


Im Widerstand

Ab 1936 transportierte Elfriede Löhr als Kurierin, meist nachts, verbotene Bibelforscherschriften durch ganz Deutschland. Im selben Jahr besuchte sie illegal einen Kongress der Zeugen Jehovas in Luzern, Schweiz, wo eine gegen die Hitler-Regierung formulierte Resolution verabschiedet wurde. Am 12. Dezember 1936 wurden Flugblätter mit dem Inhalt der Resolution in einer groß angelegten Kampagne im ganzen Deutschen Reich verbreitet. Elfriede Löhr verteilte sie in München. Es war die größte Protestflugblattaktion der NS-Zeit überhaupt.

Im Juni 1937 folgte die reichsweite Flugblattaktion „Offener Brief“, in dem detaillierter auf die Verfolgung der Zeugen Jehovas eingegangen wurde. Elfriede Löhr übernahm die Organisation der Kampagne für ganz Bayern. Das Flugblatt wurde „zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr mittags verteilt, benannte Verbrechen des NS-Regimes und beschwor christliche Werte gegen den Ungeist des Hitlerstaats“, schreibt der Historiker Wolfgang Benz 2025.


Diskriminierung und Folter in Konzentrationslagern

Protestflugblatt „Offener Brief“, Vorderseite, (Foto: Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa)

Elfriede Löhr im KZ Ravensbrück, 1939, (Foto: Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa)

Noch im selben Jahr wurde Elfriede Löhr gefasst und inhaftiert. 1938 untersuchte man sie in der psychiatrischen Abteilung des Münchner Strafgefängnisses Stadelheim auf ihren Geisteszustand und daraufhin, ob ein Sterilisierungsverfahren gegen sie einzuleiten sei. Der Landgerichtsarzt konnte die Sterilisierung abwenden: Es seien noch nicht genügend sichere Grundlagen dafür gegeben; der weitere Verlauf sei abzuwarten. Anfang 1939 kam Elfriede Löhr in das Konzentrationslager Lichtenburg. Im Mai folgte das Konzentrationslager Ravensbrück, wo sie sich weigerte, Munitionstaschen auf Soldatenuniformen zu nähen. Als Strafe musste sie wochenlange Dunkelhaft erleiden. 1943 erkrankte sie an Lungenentzündung mit hohem Fieber, weshalb sie in das berüchtigte Krankenrevier unter die Todkranken verlegt wurde. In einer dramatischen Rettungsaktion gelang es einer Gruppe von Bibelforscherinnen, sie illegal durch ein Fenster zurück in den Block der Bibelforscherinnen zu tragen. So konnte sie Dank der Hilfe einer dort ebenfalls gefangenen Glaubensangehörigen, einer Ärztin, dem ansonsten sicheren Tod entkommen. Mit dem Ende des NS-Regimes 1945 wurde Elfriede Löhr befreit.


Nachkriegszeit

1950 besuchte Elfriede Löhr eine Missionarschule, um sich danach in Österreich der Verbreitung ihres Glaubens zu widmen. Ihren Lebensabend verbrachte sie in der Deutschlandzentrale der Zeugen Jehovas im Taunus.

Anträge auf Entschädigung wurden sehr unwillig bearbeitet, mit der Folge, dass sie lediglich am 21. Mai 1952 eine Entschädigung von DM 500 erhielt. Erst mehr als sechs Jahre nach ihrem Tod am 18. November 2000 wurden aufgrund erneuter Anträge insgesamt € 6.800 an den im Testament festgelegten Erben ausgezahlt. Dem gegenüber standen etwa acht Jahre Haft, davon mehr als sechs Jahre in Konzentrationslagern unter lebensbedrohlichen Verhältnissen.


 

Text und Recherche

  • Christoph Wilker (Stand 11/2025)

Quellen

  • Staatsarchiv München, StAnW 8460 und 8603: Verschiedene Gestapo-Dokumente.

  • Staatsarchiv München, JVA München 1249: Handschriftlicher Lebenslauf von Elfriede Löhr vom 25.3.1938, Bericht des Landgerichtsarztes vom 30.4.1938.

  • Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa: Schreiben des Bundespräsidialamtes vom 24.9.1951, in dem eine belegte Haftstrafe von 7 Jahren, 8 Monaten und 18 Tagen von Elfriede Löhr unter dem NS-Regime genannt wird und Bericht von Elfriede Löhr vom 25.4.1949.

  • Benz, Wolfgang (Geleitwort) in Buchmann, Edwin / Schäfer, Franz Josef: Die Verfolgung der Zeugen Jehovas in der Saarregion, Saarbrücken 2025.

  • Mehringer, Hartmut: Widerstand und Emigration, in: Dahm u. a.: Die tödliche Utopie, 7. Auflage, München-Berlin 2017, S. 473.

  • Wilker, Christoph: Verfolgung und Standhaftigkeit der Zeugen Jehovas in Schwabing, in: Macek, Ilse (Hg.): ausgegrenzt – entrechtet – deportiert. Schwabing und Schwabinger Schicksale 1933 bis 1945, München 2008, S. 354-373.

Literatur

  • Detjen, Marion: „Zum Staatsfeind ernannt...“ – Widerstand, Resistenz und Verweigerung gegen das NS-Regime in München, München 1998.

  • Hesse, Hans und Harder, Jürgen: „Und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müßte... - Die Zeuginnen Jehovas in den Frauenkonzentrationslagern Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück“, Essen 2001.

  • Nerdinger, Winfried / Wilker, Christoph: Die Verfolgung der Zeugen Jehovas in München 1933-1945, Begleitpublikation zur Sonderausstellung im NS-Dokumentationszentrum München 2018/19, Berlin 2018.

 
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