(Albert) Arthur Gerstle

 

Foto: Arthur Gerstle (Quelle: Staatsarchiv München, Polizeidirektion München 12673)

Geboren am 28. Januar 1887 in Augsburg

Emigriert am 9. Oktober 1938 nach New York, USA

Gestorben am 13. Dezember 1946 in New York, USA

 

Herkunft und Familie

(Albert) Arthur Gerstle war das vierte Kind des Kaufmanns Gerson Gerstle (1854-1932) und seiner Frau Rosa, geborene Levi (1860-1919). Er wurde am 28. Januar 1887 in Augsburg geboren. Seine Geschwister, die auch alle in Augsburg geboren wurden, waren:

  • Marie Gerstle, verheiratete Hahn, geboren am 17. Januar 1883,

  • Benno Gerstle, geboren am 2 Juni 1884,

  • Hermann Gerstle, geboren am 3. Februar 1886 und

  • Max Gerstle, geboren am 11. Juni 1890.

Er besuchte die Höhere Schule sowie die Handelsschule in München.

Bereits ab dem 15. August 1914, also wenige Tage nach Beginn des 1. Weltkriegs, diente Arthur Gerstle im Bayerischen Heer. Er überlebte den 1. Weltkrieg, aber sein jüngerer Bruder Max fiel am 27. August 1917. Sein Bruder Hermann, der ebenfalls im 1. Weltkrieg diente, wurde verwundet, überlebte aber den Krieg.  

Am 25. August 1919 starb seine Mutter, am Tag vor ihrem 59sten Geburtstag. Sie wurde auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in München bestattet.  

Ab etwa 1920 betrieb Arthur Gerstle, zusammen mit seinem Onkel, Siegfried Gerstle, das Familienunternehmen, das ursprünglich von seinem Großvater, Abraham Gerstle, gegründet worden war und später den Namen seines Vaters, Gerson Gerstle, trug. 

In den Familiennachrichten der Münchener Neuesten Nachrichten vom 4. September 1921 verkündeten Arthur Gerstle und Josefine  Lehmann ihre Eheschließung. Josefine, genannt Finny, stammte aus Bamberg und wurde dort am 1. Mai 1898 geboren. Am 19. September 1922, wurde Tochter Elenora geboren. Sie sollte das einzige Kind der Beiden bleiben. Die junge Familie bezog 1924 eine Wohnung in der Wormser Straße 1, in der sie bis zur Emigration lebten.  

Sein Vater, Gerson Gerstle, verstarb am 22. November 1932 in München und wurde an der Seite seiner vor ihm verstorbenen Frau Rosa beigesetzt.    


Zeit im Nationalsozialismus 

Mit der „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten änderte sich das Leben der jüdischen Familien grundlegend. Für jüdische Unternehmer wurde die Lage zunehmend schwieriger und der Druck sie vom Wirtschafts- und Arbeitsleben auszuschließen stieg ständig. Mit der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben (RGBl. 1938 I, S. 1580) vom 12. November 1938 wurde Juden der Betrieb von Einzelhandelsverkaufsstellen sowie die selbständige Führung eines Handwerksbetriebs, mit Wirkung zum Jahresende 1938, untersagt.

Arthur Gerstle erkannte diese Problematik. Im Sommer 1938 betrieb das Paar mit ihrer Tochter ihre Auswanderungsbemühungen und beschafften sich die erforderlichen Dokumente. Ende Juli 1938 wurde die Firma Gerson Gerstle, die er mit seinem Onkel Siegfried Gerstle betrieb, handelsrechtlich gelöscht.  

Von Rotterdam aus erreichte die Familie am 9. Oktober 1938, mit dem Schiff SS Statendam, amerikanischen Boden. Ihr Leben war damit gerettet. Nur einen Monat später brannten die Synagogen in Deutschland.


Emigration und Leben in der neuen Heimat

Arthur Gerstles Ehefrau führte später in den Wiedergutmachungsanträgen aus, dass sein mangelndes Englisch und die schlechten Kenntnisse amerikanischer Handelsgepflogenheiten ihm für einen guten Start in den USA im Wege gestanden hätten.. Er musste eine schlecht bezahlte Anstellung als Lederstanzer in einer Fabrik annehmen, damit er den Lebensunterhalt verdienen konnte. Arthur Gerstle verstarb am 13. Dezember 1946 in New York an einer Herzerkrankung.

Die Heirat der einzigen Tochter, die am 9. Dezember 1947 in New York Harold B. Loeb ehelichte, erlebte er nicht mehr.

Seine Witwe heiratete am 29. August 1950 Julius Einstein (1892-1966). Der Witwer war ebenfalls ein Überlebender des Holocaust. Geboren wurde er 1892 im unterfränkischen Obbach und lebte später in Frankfurt am Main. Josefine Einstein, verw. Gerstle, starb im April 1967 in New York.

Die Witwe stellte Anträge auf Wiedergutmachung. Die Bearbeitung erlebte sie, wie so viele Geschädigte, nicht mehr.

Schicksal weiterer Familienangehöriger

  • Marie Gerstle heiratete am 20. April 1919 den Berliner Arzt Dr. Adolf Hahn (1882-1955). Ihr Mann war in Berlin Chirurg und Frauenarzt. Er hatte seine Approbation 1907 in Leipzig erworben. Das Paar konnte im April 1939 nach England emigrieren, wo Marie am 22. August 1952 und Adolf Hahn am 13. Mai 1955 in Manchester / Großbritannien verstarben. 

  • Benno Gerstle, geboren am 2 Juni 1884 in Augsburg, zog 1901 nach Stuttgart. Er heiratete Margarete Marie Weil aus Oberdorf (geb. 1898). Das Paar hatte zwei Töchter. Elisabeth kam  am 9. August 1925 und Edith am 14. Dezember 1928 in Stuttgart zur Welt.. Ab 1. April 1935 waren die Eheleute in Amsterdam gemeldet. Dort hatten sie sich am 19. Mai 1941 nach Montevideo, Uruguay, abgemeldet. Hier verliert sich die Spur.

  • Hermann Gerstle besuchte das Wilhelmsgymnasium in München und legte dort im Schuljahr 1903/04 das Abitur ab. Anschließend begann er ein Jurastudium. Hermann Gerstle absolvierte 1912 die Staatsprüfung, er wurde 1913 in München zur Anwaltschaft zugelassen. Er kämpfte im 1. Weltkrieg, wurde verwundet und war ein dekorierter Frontkämpfer. Hermann Gerstle war ledig. Er betrieb in München eine Anwaltskanzlei. Gestorben ist er am 16. Mai 1936 in München.

  • Max Gerstle fiel im ersten Weltkrieg. In den Münchner Neuesten Nachrichten vom 2. September 1917 gab die Familie bekannt, dass der Landsturmmann Max Gerstle am 27. August 1917 den Heldentod für das Vaterland erlitten hatte.


Text und Recherche

  • Stefan Dickas

Quellen

  • Stadtarchiv Augsburg, Meldebogen zu Gerson Gerstle.

  • Staatsarchiv München, Polizeidirektion München 12673.

  • BayHStA München, LEA 13118.

  • Friedhofsbuch Neuer Israelitischer Friedhof München, Eintrag zu Rosa Gerstle, geb. Levi.

Onlinequellen:

 
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