Walter Häbich

 

Walter Häbich (Quelle: Arbeiterarchiv München)

 

Geboren am 15. Oktober 1904 in Stuttgart-Botnang

Ermordet am 1. Juli 1934 im Konzentrationslager Dachau

 
 

Das schwierige Erinnern

Mit Verfolgten des Nationalsozialismus wie Walter Häbich hat sich die Bundesrepublik Deutschland lange Zeit sehr schwergetan. Er engagierte sich im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands und später als Funktionär der KPD. Er gehörte damit zu den NS-Gegnern, die andere gesellschaftliche Vorstellungen als die einer Hitler-Diktatur hatten. Diese Vorstellungen standen auch nicht im Einklang mit den freiheitlichen und rechtsstaatlichen Prinzipien der demokratischen Grundordnung des Nachkriegs-Deutschland. Für lange Zeit klammerte man diese Widerstandskämpfer zu Unrecht aus dem Kreis der Erinnerungswürdigen aus.


Herkunft

Walter Häbich war der jüngste Sohn des Mechanikers Hermann Häbich und seiner Ehefrau Emma, geborene Wechselberger. Er wurde am 15. Oktober 1904 in Botnang, heute ein Stadtteil von Stuttgart, geboren. Botnang war ein Arbeiterwohnviertel. Das Ehepaar hatte insgesamt sieben Kinder, wobei zwei bereits als Kleinkinder verstarben. Seine älteren Schwestern, Gertrud wurde 1898 und Hedwig wurden 1898 bzw. 1899 geboren. Sein älterer Bruder Kuno erblickte 1900 das Licht der Welt und seine jüngere Schwester Anna wurde 1912 geboren.


Kindheit und Jugend

1906 übernahm Walter Häbichs Familie eine Gastwirtschaft, um vermutlich das spärliche Arbeitereinkommens des Vaters etwas aufzubessern. Vater Hermann Häbich ging zusätzlich noch seiner Arbeit als Mechaniker nach.

Das Schicksal meinte es nicht gut mit der Familie. Walter Häbichs älteste Schwester, Gertrud, starb 1912 als junges Mädchen und nur ein Jahr später, 1913 musste Walter Häbich den frühen Tod seines Vaters verkraften. Die Familie verarmte und verlor schließlich die Gastwirtschaft.

Von 1911 bis 1918 besuchte Walter Häbich die Volksschule, anschließend drei Jahre die Gewerbeschule in Stuttgart. In den Erinnerungen seiner Schwester Hedwig zu ihrem Bruder ist zu lesen: „Am liebsten war ihm aber die Beschäftigung des Zeichnens…Zeichner wollte er werden.“ Auf diesen Traum, Zeichner zu werden, musste Walter Häbich verzichten. Es fand sich keine Ausbildungsstelle. Er erlernte stattdessen von 1918 bis 1921 den Beruf eines Bandagisten. Aus den Erinnerungen seiner Schwester Hedwig wissen wir auch, dass er diesen Beruf nicht nur nicht liebte, sondern ihn geradezu verabscheute. Von 1923 bis 1925 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Metallarbeiter.


Politisches Engagement

Ab 1920 engagierte sich Walter Häbich beim Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) und schon 1921 übernahm er den Vorsitz einer Ortsgruppe. Er war, was man heute ein politisches Talent nennen würde. Nur ein Jahr später, 1922, übernahm er die Leitung des KJVD-Groß-Stuttgart. Seit 1923 war er außerdem Funktionär der KPD.

Ein Engagement für die KJVD bzw. KPD wurde von den Behörden kritisch beäugt. Vom 20. Oktober 1923 bis 24.Dezember 1923 war er in Schutzhaft. Im Februar 1924 wurde er erneut verhaftet und Ende Januar 1925 wurde Walter Häbich vom Staatsgerichtshof wegen Verbreitung eines hochverräterischen Unternehmens zu einem Jahr Gefängnis und 150 Reichsmark Geldstrafe verurteilt. Anlässlich einer Amnestie wurde er vorzeitig im August 1925 aus der Haft entlassen.

Aufnahme des Württembergischen Polizeipräsidiums aus 1924 (Quelle: Bundesarchiv; R3003/3709)

Die Haftstrafe hielt ihn nicht von einem weiteren Engagement ab. Nach seiner Haftentlassung wurde Walter Häbich Leiter des Kommunistischen Jugendverbandes Württemberg und hauptberuflicher KPD-Funktionär. In seiner Funktion als Parteisekretär war er in Berlin und Hamburg tätig, wo er 1926 die Leitung im KJV-Bezirk Wasserkante/Hamburg übernahm. In dieser Eigenschaft war er auch Mitglied der KPD-Bezirksleitung Wasserkante.

Ende 1928 wurde Walter Häbich von Ernst Thälmann nach Berlin geholt und ersetzte dort Konrad Blenkles als Vorsitzenden des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands. Als Führer des KJVD wurde er auf dem XII. KPD-Parteitag 1929 zum Mitglied des Zentralkomitee gewählt. Er wurde allerdings bereits Mitte 1929 als KJVD-Vorsitzender und ZK-Mitglied von Kurt Müller abgelöst und übernahm in der Folge neue Aufgaben in der Parteipresse der KPD.

1930 war Walter Häbich in Halle als Redakteur bei der Zeitung „Der Klassenkampf“ beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit kam es vor dem Amtsgericht Halle zu mehreren Verfahren wegen Aufforderung zum Ungehorsam oder Beleidigung durch die Presse, bei denen er zu Geldstrafen und kurzen Gefängnisaufenthalten verurteilt wurde.


München

Von Halle wechselte er im Dezember 1930 nach München und war für die „Neuen Zeitung“ als Schriftleiter tätig. Aufgrund dort veröffentlichter Artikel wie „Krieg den Palästen“ und „Polizeialarm gegen RH-Versammlung“ (Rote Hilfe) ermittelte die Staatsanwaltschaft München u.a. gegen Walter Häbich wegen Vorbereitung des Hochverrates. Die Neue Zeitung wurde vorübergehend verboten und er wurde wegen dieser Artikel am 5. Januar 1932 zu einem Jahr und sechs Monaten Festungshaft verurteilt. Vom Januar bis Dezember 1932 verbüßte er die Haft in Hohenasperg, danach kehrte er nach München zurück.


Widerstand, Verhaftung und Tod

Nach dem 30. Januar 1933, dem Tag der sogenannten „Machtergreifung“, verboten die Nationalsozialisten innerhalb weniger Wochen die wichtigsten Zeitungen ihrer politischen Gegner. Die „Rote Fahne“ (Zeitung der KPD) oder der Vorwärts (Zeitung der SPD) durften nicht mehr erscheinen. Betroffen war auch die „Neue Zeitung”, deren letzte legale Ausgabe Ende Februar 1933 erschien.

Einige Ausgaben der „Neuen Zeitung“ erschienen dann illegal und die Redaktion konnte nur noch aus dem Untergrund arbeiten. Diese Tätigkeit war für alle Beteiligten mit erheblichen Risiken verbunden.

Ab Mai 1933 befand sich die Redaktion in einem Bibliothekszimmer im Asamhaus in der Sendlinger Straße. Hier wurden auch die Druckmatrizen hergestellt. Gedruckt wurden die Zeitungen dann in Obersendling. Einer der ebenfalls in diesem Zusammenhang Verhafteten, Hugo Scheuer, ein Mitglied und Bühnenmeister der Marianischen Studentenkongregation, die im Asamhaus ein Laientheater unterhielten,verfügte über alle Schlüssel des Hauses.

Im Juli 1933 kam es in diesem Zusammenhang zu ersten Verhaftungen in diesem Zusammenhang.

Zunächst konnte sich Walter Häbich der Verhaftung entziehen, am 2. September 1933 wurde auch er gefasst und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. In einem Bericht der Münchner Neuesten Nachrichten wurde er als „Spitzenfunktionär der KPD“ und „geistiger Urheber […] der illegalen Neuen Zeitung“ bezeichnet.

Die Familie machte sich Sorgen um sein Schicksal. Hedwig Häbich, seine Schwester, schrieb an die Lagerleitung und verlangte Auskunft, warum die Familie kein Lebenszeichen von ihrem Bruder erhielt. Der Lagerkommandant teilte ihr mit, dass „wir keine Veranlassung haben, Ihnen Rede und Antwort zu stehen“. Nach mehreren Briefen der Schwester bzw. der Mutter ließ man Walter Häbich kurze Nachrichten an seine Mutter richten. Die Gefangenenpost unterlag einer vollständigen Zensur und durfte keine unerwünschten Informationen enthalten. Beteuerungen, dass er gesund und wohlbehalten sowie mit allem Notwendigen versorgt sei, dürften der Beruhigung Angehöriger gedient haben und waren auch das, was eine Zensur zuließ.  Die Wahrheit sah anders aus. Die Haftbedingungen in Dachau waren nicht nur für ihn unmenschlich.  

Martin Grünwiedl, der ebenfalls als Kommunist im Konzentrationslager Dachau war, veröffentlichte 1934 unter dem Titel „Dachauer Gefangene erzählen“ einen Tatsachenbericht über seine Erlebnisse und Beobachtungen im Konzentrationslager Dachau. Grünwiedl berichtete darin „Genosse Häbich hing an der Kette und rührte sich nicht mehr, da seine Glieder erfroren waren. Er war seit seiner Einlieferung nicht mehr rasiert, auch die Haare waren ihm nicht geschnitten. Man kann es einfach nicht schildern, wie grausam diese Menschen in diesen feuchten, kalten und dunklen Löchern gemartert wurden.“

Am 30. Juni oder am 1. Juli 1934 nahm man die Röhm-Affäre zum Anlass, in einer „Säuberungswelle“ auch fünf Schutzhäftlinge, darunter Walter Häbich, zu erschießen. Es wird angenommen, dass die Lagerleitung in Dachau diese Gelegenheit nutzte, um sich unliebsamer Häftlinge zu entledigen, da diese nicht auf der offiziellen „Erschießungsliste“ zum Röhm-Putsch auftauchten. Später rechtfertigte die Politische Polizei die Ermordungen gegenüber der Mutter Walter Häbich`s damit, dass „es sich bei der Erschießung Ihres Sohnes um einen Akt der Staatsnotwehr gehandelt hat“ und es „liegt zur weiteren Erklärung keine Veranlassung vor“.

Am 3. Juli 1934 hatte die Reichsregierung das „Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr“ erlassen dessen einziger Artikel lautete: “Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. Juli und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens.“

Die Beisetzung der Urne erfolgte im Heimatort von Walter Häbich, in Stuttgart-Botnang. Man hatte der Mutter mitgeteilt, dass bei der Beisetzung kein Wort gesprochen werden darf. Unendlich viele Genossen und Freunde waren gekommen, um von Walter Häbich Abschied zu nehmen.

Auf seinem Grabstein steht

„Je dunkler die Nacht, desto heller die Sterne“.

Walter Häbich war für viele Menschen ein solcher Stern in dieser dunklen Zeit.


Erinnern

Die Grabstelle auf dem Friedhof Stuttgart-Botnang und ein Stolperstein in der Beethovenstraße 48 erinnern in seiner Heimatstadt an ihn. Die Stadt München, wo er zuletzt gelebt hatte, wird ihm 2024 ein Erinnerungszeichen widmen.

Grab von Walter Häbich (Quelle: Garten-, Friedhofs- und Forstamt der Stadt Stuttgart, Bild: Maurus Baldermann)

 

Text und Recherche

  • Stefan Dickas

Quellen

  • Stadtarchiv Stuttgart, Geburtsregister von Walter Häbich, sowie Familienregister Hermann Karl Häbich und Frau Emma geb. Wechselberger.

  • Bundesarchiv Berlin, Bestand: DY 10 / 827. 

  • Bundesarchiv Berlin, Bestand; SAPMO NY 4142 12, Bestand Hermann Nuding. (Erinnerungen der Schwester).

  • Bundesarchiv Berlin, Bestand R 3003 Nr. 2848, 3708 und 3709.

  • KZ- Gedenkstätte Dachau, Aktenbestand zu Walter Häbich.

Onlinequellen

Literatur

  • DKP München (Hrsg.): Die wiedergefundene Liste: Portraits von Münchner Kommunistinnen und Kommunisten, die im antifaschistischen Widerstandskampf ihr Leben ließen. Entdeckt von Resi Huber. München, 1998, Seite 30-32.

  • Langer, Roland: Zur Entwicklung des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland (KJVD) vom V. Weltkongress der Kommunistischen Jugendinternationale (August/September 1928) bis zum 11. Verbandskongress der KJVD (26.-29. September 1929) unter der besonderen Berücksichtigung der Tätigkeit von Walter Häbich, Staatsexamensarbeit vorgelegt an der Philosophischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt Universität in Greifswald, 1967.

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Martin Hallerz