Amalie Spitzauer

Stadtarchiv München, Kennkartendoppel 1938/39

Geboren am 15. September 1879 in Hannover
Deportiert am
20. November 1941 nach Kaunas
Ermordet am 25. November 1941 in Kaunas

 

Familie Löwenstein

Amalie Mathilde Löwenstein erblickte am 15. September 1879 in Hannover, in der Goethestraße 12, das Licht der Welt. Ihre Eltern waren der Produktenhändler Louis Löwenstein, geboren am 12. Oktober 1853 in Aerzen (Kreis Hameln) und seine am 2. Februar 1853 in Nentershausen (Hessen) geborene Ehefrau Klara Neumann. Am 28. August 1881 wurde Amalies Bruder Bernhard geboren.


Umzug nach München und Heirat

Am 3. April 1896 zog die Familie nach München und wohnte im Jahr 1902 am Rindermarkt 7. Der Vater arbeitete hier als Kaufmann bei der Firma Zimmermann & Co. Amalie Löwenstein heiratete am 29. Dezember 1902 Otto Spitzauer, der am 5. Februar 1869 in Triftern geboren wurde. Er war in den USA approbiert worden und führte eine Zahnarztpraxis in der Sendlinger Straße 89. In erster Ehe war Otto Spitzauer mit Anna Margareta Gößwein, geboren am 15. Juni 1868 in Nürnberg, verheiratet.

Amalie und Otto Spitzauer bekamen am 7. November 1903 einen Sohn, Otto Benjamin. Die Familie lebte zu jener Zeit in der Leopoldstraße 21, in einer 10-Zimmer Etagen-Wohnung mit Praxis. Die Wohnung war sehr luxuriös eingerichtet. Sie hatte unter anderem ein Renaissancezimmer, das der spätere Lieblingsarchitekt Hitlers, Paul Ludwig Troost, entworfen hatte. Zehn Jahre später, am 20. Januar 1913, verstarb Otto Spitzauer.


Amalie Spitzauers Leben als Witwe

Nach dem Tod ihres Mannes lebte Amalie Spitzauer aufgrund eines Vermächtnisses von einer Rente, die 10 Prozent der Bruttoeinnahmen des Hauses Frauenstraße 24 betrug. Von ihrem Bruder Bernhard erhielt sie ebenfalls eine zeitlich begrenzte Rente. Ihm gehörte das Dentallabor Zimmermann & Co. am Rindermarkt, und Amalie hatte sich finanziell an dieser Firma beteiligt. Das Dentallabor wurde später „arisiert“. Amalie Spitzauer hatte außerdem Wertpapiere in Höhe von 5.000 RM und ein Barguthaben von knapp 11.000 RM bei der Bayerischen Vereinsbank. Ihren Grundbesitz in der Gemeinde Oberhaching musste sie im Jahre 1939 veräußern.

Amalie Spitzauer bezog später in der Pilotystraße 7 eine 3-Zimmerwohnung. In der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung annoncierte sie im März 1935: „Nächst Odeonsplatz vermietet Dame per 1. April gut möbliertes Zimmer in gepflegtem Haushalt. Badbenützung, Telefon, auf Wunsch Frühstück“. Ihre finanzielle Situation hatte sich durch die nationalsozialistische Repression und wegen Unterstützung ihres Sohnes und seiner Familie stark verschlechtert.


Deportation und Ermordung

Am 15. November 1941 wurde Amalie Spitzauer auf der Deportationsliste nach Riga aufgeführt. Die Gestapo unterrichtete die betroffenen Personen schon Tage vorher über ihre bevorstehende Deportation. Sie mussten die Transportkosten von 50 RM selbst tragen. Ihnen war erlaubt, 50 kg Gepäck und Proviant für drei Tage mitzunehmen. Die von Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, befohlene erste Deportation Münchner Jüdinnen und Juden aus der „Hauptstadt der Bewegung“ verließ die Stadt am 20. November 1941. Der Zug mit den etwa 1.000 jüdischen Frauen, Männern und Kindern wurde jedoch nach Kaunas umgeleitet und erreichte sein Ziel am 22. November 1941. Er war einer von fünf Transporten aus dem Reich – die anderen Transporte gingen von Berlin, Frankfurt, Wien und Breslau aus –, der statt wie geplant nach Riga ins litauische Kaunas fuhr. SS-Männer des Einsatzkommandos 3 der Einsatzgruppe A der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes erschossen die Frauen, Männer und Kinder dort am 25. November 1941.


Das Schicksal von Amalie Spitzauers Sohn und Bruder

Amalie Spitzauers Sohn Otto war katholischen Glaubens, wurde als Sohn einer jüdischen Mutter verfolgt. Er lebte zunächst wegen der Bestimmungen der Nürnberger Gesetze in freier Ehe mit der katholischen Katharina Sucro, geb. Becker. Sie wurde am 21. Oktober 1904 in Ingolstadt geboren. Frau Sucro war vom 12. April 1924 bis 25. November 1925 in erster Ehe verheiratet und hatte aus dieser Beziehung ein Kind. Diese Ehe wurde 1926 geschieden. Mit Otto Benjamin Spitzauer hatte Katharina Sucro drei Kinder. Die Familie lebte zunächst in der Herzogstraße 1, dann in der Leopoldstraße 48. Ab dem 12. Oktober 1934 waren sie in ihrer Eigentumswohnung in der Clemensstraße 6 gemeldet.

Die Gestapo verhaftete Otto Spitzauer wegen „rasseschänderischen Verhaltens“ am 11. November 1938. Er wurde zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Noch im Zuchthaus bemühte er sich vergeblich um eine Emigration. Nach dem Ende der Zuchthausstrafe überstellte ihn die Gestapo in das Konzentrationslager Sachsenhausen, wo er am 4. August 1940 ermordet wurde.

Seine Ehe wurde mit Wirkung zum 1. Juni 1936 am 13. Mai 1949 offiziell anerkannt.

Ein Gedenkstein auf dem Neuen Israelitischen Friedhof erinnert an ihn. Die Ehefrau verstarb am 3. September 1977 in München.


Amalie Spitzauers Bruder Bernhard Löwenstein konnte zunächst nach London und dann in die USA auswandern.


Erinnerung an Amalie Spitzauer

Foto: Tom Hauzenberg

Seit dem 4. Okt. 2021 gibt es für Amalie Spitzauer am Franz-Josef-Strauss Ring 4 in München ein Erinnerungszeichen. Bei einer Gedenkfeier wurde an ihr Schicksal und das von Charlotte Luise Carney, Berta Konn, Hermann Marx und Emma Wallach erinnert.

Foto: Tom Hauzenberg


Text und Recherche

  • Ruth und Klaus-Peter Münch

Quellen

  • Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, Fa 208, Deportationsliste Riga vom 15.11.1941.

  • Staatsarchiv München, WB I JR 8195, WB I JR 2394, WB I a 5603 WB I a 4133, OFD 7140.

  • Stadtarchiv München, Einwohnermeldekarte.

  • Stadtarchiv München, Hausbogen.

  • Stadtarchiv München, Datenbank zum Biografischen Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945, Einwohnermeldekartei, Polizeimeldebogen.

  • Stadtarchiv Hannover, Geburtsurkunde. StadtAH StA Hannover I 38-3095/1879.

Internetquellen

Literatur

  • Zahn, Peter (Hrsg.): Hilfe für Juden in München. Annemarie und Rudolf Cohen und die Quäker 1938–1941, München 2013, S. 60 f.

Zurück
Zurück

Rosa Zippora Sigall

Weiter
Weiter

Max Ursprung