Karoline Lehmann, geborene Freund

 

Karoline Lehmann um 1902 (Foto: Familienbesitz)

Geboren am 10. Mai 1878 in Kleinwallstadt
Deportiert am 3. Juni 1942 nach Theresienstadt
Gestorben am 4. Dezember 1943 im Ghetto Theresienstadt

 
 

Herkunft und Familie

Karoline Lehmann, geborene Freund, wurde am 10. Mai 1878 als ältestes von elf Kindern in Kleinwallstadt, Deutschland, geboren. Ihre Eltern waren der Kaufhausbesitzer Liebmann Freund (1848-1918) und Sara Freund, geborene Grünebaum (1856-1907). Ihr Vater war ab 1879 Gemeindevorsteher der Kultusgemeinde Kleinwallstadt. Er übte dieses Amt für über 20 Jahre aus.

Im Jahr 1900 heiratete Karoline Freund den aus Wiesenbronn in Unterfranken stammenden Weinhändler Sigmund Lehmann (1870-1927) in Würzburg. Nach ihrer Hochzeit zogen sie nach Nürnberg.


Die Familie ihres Mannes – die Lehmann`s

Ursprünglich stammten die Lehmann`s aus Wiesenbronn (Landskreis Kitzingen / Unterfranken). Solange die Geschichte Wiesenbronns zurückverfolgt werden kann, gab es im Ort Weinbau. Teil dieser Geschichte war die Familie Lehmann, die dort seit Ende des 18. Jahrhunderts als Weinhändler ansässig war. Sigmund Lehmann`s Eltern, Salomon und Bertha Lehmann, hatten sieben Kinder. Alle fünf Söhne, Sigmund, Moritz, Samuel, Josef und Adolf, waren im Weinhandel tätig. Sigmund, Moritz und Adolf in Nürnberg und Samuel zusammen mit seinem Bruder Josef in Würzburg.


Nürnberg

In Nürnberg betrieb ihr Sigmund Lehmann einen Weingroßhandel, den 1899 seine Brüder Adolf und Moritz, unter dem Namen „Gebrüder Lehmann“, gegründet hatten.

Schon im Jahr nach der Hochzeit kam das erste Kind, Siegfried, am 8. Juli 1901 zur Welt. Die Tochter Irene folgte am 26. April 1904. 

1904 gab es auch Änderungen bei den geschäftlichen Aktivitäten. Der Name des Geschäftes „Gebrüder Lehmann Weingroßhandlung“ blieb, aber seine die Brüder Adolf und Moritz schieden bei Gebrüder Lehmann aus und gingen eigenen Geschäften nach. Die Gründe dafür sind nicht bekannt.

Einige Zeit später erblindete Karoline Lehmann durch ein Glaukom, das damals noch nicht behandelt werden konnte. Sie lebte ihr Erwachsenenleben in Nürnberg, umgeben von ihren Brüdern Solomon, genannt Saly (1883-1942), Max (1885-1941) und Hugo (1892-1950).

Karoline Lehmann war eine warmherzige und freundliche Frau. Ihr jüngster Neffe, Kurt (später in Amerika William genannt), heute 97 Jahre alt, erinnert sich, wie er seiner Tante, die um die Ecke wohnte, über die Straßen Nürnbergs half. Sie vertraute ihrem kleinen Neffen, der sie anhimmelte.

Karoline Lehmann hatte Sinn für Humor. Ihr Sohn Siegfried war bekannt dafür, dass er bis mittags schlief. Um ihn zu wecken, schickte seine Mutter den kleinen Kurt los, um seinen schlafenden Cousin mit Wasser zu übergießen. Das wirkte wie ein Wunder.

Siegfried machte in Nürnberg sein Abitur und studierte anschließend bis 1923 in Würzburg Jura.

Am 1. März 1927 verstarb Ihr Ehemann Sigmund Lehmann in Nürnberg an Lungenentzündung. Der Weinhandel wurde in der Folge aufgegeben.

Nach bestandener Staatsprüfung 1931 durfte sich der Sohn 1931 als Dr. Siegfried Lehmann in Nürnberg als selbständiger Rechtsanwalt in der Königstraße 52 niederlassen.

Ab April 1933 lebte Karoline Lehmann bei Ihrem Sohn Siegfried in der Glockenhofstraße 12. Die neue Wohnung war nur knapp einen Kilometer von der alten Wohnung in der Celtisstraße entfernt, wo sie über viele Jahre gelebt hatte. Der Sohn, Dr. Siegfried Lehmann musste schon bald seine eigene Kanzlei aufgeben, da die Nationalsozialisten ihn und viele andere jüdische Rechtsanwälte mit einem Berufsverbot belegten. Aufgrund seiner „nicht arischen“ Abstammung wurde seine Anwaltszulassung zum 30. August 8.1933 widerrufen.

Vor diesem Hintergrund wanderte Siegfried Lehmann im Oktober 1936 in die USA aus (hier nannte er sich Stephen Lehman). Auch andere Familienmitglieder, wie die in Nürnberg lebenden Brüder Saly und Hugo Freund wanderten nach Amerika aus. Siegfried Lehmann kam mit Diamanten von seiner Mutter und seiner Schwester nach New York und hoffte, dass er damit ein Visa für seine Mutter, seine Schwester Irene, Irenes Ehemann Friedrich Fritz Sänger und deren kleine Tochter Anneliese beschaffen könnte. Bis zu den Deportationen der Mutter bzw. der Familie seiner Schwester gab es einen regen Briefkontakt.

Die amerikanische Regierung verweigerte Karoline Lehmann aufgrund ihrer Blindheit ein Visum, da sie befürchtete, dass sie eine finanzielle Belastung darstellen würde. Irene Sänger, die Tochter, wollte nicht ohne ihre Mutter auswandern. Da ihr Mann Fritz während des Ersten Weltkriegs Offizier und nach dem Krieg Leutnant der Reserve war, dachte die Familie, dass sie unter den Nazis sicher sein würde.

Nach der Auswanderung des Sohnes zog Karoline Lehmann am 1. November 1936 zunächst nach Würzburg in den Röntgenring 6. Als Blinde war sie auf ein entsprechendes Umfeld angewiesen. Sie lebte dort bei Ricka Lehmann, der Witwe ihres Schwagers Josef Lehmann. Zum 1. Oktober 1937 meldete sie sich nach Augsburg ab, wo die Familie Ihrer Tochter Irene Sänger lebte. Doch Augsburg sollte nicht die letzte Station der blinden Dame sein. Sie wurde am 28. April 1941 gezwungen, von Augsburg nach München zu ziehen, wo sie in der Hermann-Schmidt-Straße 7 wohnte. Hinter dieser Adresse verbarg sich das Israelitische Krankenheim. Im Mai 1942 wurde die Räumung des Krankenheimes befohlen. Alle im Haus untergebrachten Patienten, Schwestern und Ärzte wurden im Juni 1942 in drei aufeinanderfolgenden Transporten nach Theresienstadt deportiert. Karoline Lehmann wurde am 3. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie starb am 4. Dezember 1943, im Alter von 65 Jahren, an Cholera und Hunger. Es wurde berichtet, dass ihre Leiche verbrannt und ihre Asche in den Fluss geworfen wurde. 


Das Schicksal der Kinder

Die Familie Sänger (Ihre Tochter Irene, 37 Jahre, der Schwiegersohn Fritz, 50 Jahre und deren Tochter, Anneliese, 8 Jahre) wurden in das Ghetto Piaski deportiert und kamen dort oder im Konzentrationslager Sobibor 1942 ums Leben.

Der Sohn, Dr. Siegfried Lehmann, konnte im Oktober 1936 in die USA emigrieren und verstarb dort 1978.


Erinnerung an Karoline Lehmann

Am 26. Mai 2023 wurde vor dem letzten Nürnberger Wohnsitz von Karoline Lehmann, in der Glockenhofstraße 12, ein Stolperstein verlegt. Bei in der Gedenkfeier waren im Beisein von mehreren Familienmitgliedern, u.a. aus den USA und den Niederlanden, dabei. 

Stolperstein in der Glockenhofstraße 12 in Nürnberg (Bild: Familie Freund Heller)

An der Stelle, an der sich einst das Israelitische Schwestern- und Krankenheim befand, erinnert heute ein Mahnmal an die Deportationen der Bewohner, Ärzte und Schwestern

Mahnmal für das Israelitische Schwestern- und Krankenheim, Hermann-Schmid-Straße 5 in München (Bild: privat)

Text und Recherche

  • Nancy Freund Heller, Stefan Dickas

Quellen

  • Stadtarchiv Würzburg, Grundliste / Straßenkartei Röntgenring 6.

  • Briefe von Irene Sänger an Dr. Siegfried Lehmann, Familienbesitz.

  • Staatsarchiv Würzburg, Jüdisches Standesregister 154, Wiesenbronn.

Internetquellen

Bücher

  • Weber, Reinhard: „Das Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte in Bayern nach 1933“, München, 2006, Seite 284.

 
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Martin Laupheimer

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